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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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lockerte sie die verkrampften Finger, die Taschen fielen in den Sand, und sie stapfte los über die Dünen in Richtung Wasser. Wieder gab es diesen fragenden Blick zwischen Vince und mir, wieder ein kurzes Zögern, bis wir fast gleichzeitig hinter ihr her gingen. Hinter den Dünen blieb sie kurz stehen, wir ebenso, als dürfte sie uns nicht bemerken. Mit der rechten Fußspitze zog sie sich den linken Schuh vom Fuß, dann mit der linken den rechten Schuh, und ging, ohne die Schuhe aufzuheben,schnurstracks geradeaus weiter. An der Wasserkante fiel sie auf die Knie und blieb im nassen Sand, zwischen schmalen Linien aus weißem Schaum, einfach sitzen. Langsam näherten Vince und ich uns von hinten und ich erwartete Tränen, aber Lene sah einfach nur hinaus auf die wogenden Wellen und scherte sich nicht darum, dass sie ihre Hose längst umspült hatten. Alles in ihrem Gesicht war glatt und hell, ich konnte mich fast in ihr spiegeln. Von beiden Seiten fassten wir sie unter den Armen, aber als wir sie hinstellen wollten, gaben ihre Beine nach. Ob sie das mit Absicht machte oder ob sie wirklich nicht mehr konnte, war nicht voneinander zu unterscheiden und auch völlig egal. Sie sollte dort nicht lange sitzen, denn sie war immer noch fiebrig. Trotzig blickte sie weiter geradeaus, als wolle sie irgendjemandem etwas beweisen, aber Vince warf sie sich über die Schulter und sie wehrte sich nicht, hob nur den Kopf, als Vince mit ihr durch den Sand zurück zum Wohnwagen stapfte, schaute aufs Meer, bis es wieder hinter den Dünen verschwunden war. Sie wurde in einen Campingstuhl gesetzt, und ich versuchte, ihr die nasse Hose vom Körper zu pulen. Es dauerte eine Weile, bis ihr das zu blöd wurde und sie endlich begann, mir dabei zu helfen. So saß sie in Unterhose und T-Shirt auf einem Campingstuhl, eine Decke über den nackten und kalten Beinen, und schaute auf ihre eigenen Finger, die nun die Quadrate des Stoffmusters nachmalten. Ich hockte neben ihr und rieb mir die Füße, irgendwann pfiff der Wasserkocher und wir tranken Tee, während eine Gruppe Jugendlicher nicht weit von uns ihre Zelte aufschlug. Als sie ankamen und laut lachten und sich gegenseitig mitWasserflaschen bespritzten, schaute Lene zum ersten Mal wieder auf. Ich ließ sie dort sitzen und ging mit Vince zu den Kochstellen, wo wir darauf warteten, dass das Wasser Blasen schlug, damit wir die Tütensuppen darin auflösen und zum Wohnwagen zurück tragen konnten. Als wir nebeneinander standen und in den Alutopf mit dem Wasser schauten, berührten sich unsere Unterarme manchmal für ein paar Sekunden wie damals am Herd im Winter, als Lene und Vince alle Freunde zu sich in die Wohnung geladen hatten.

    Die Scheibe der Herdtür bei Lene und Vince bestand aus zwei Glasarten, einmal glatt und durchsichtig und einmal milchig. Ich drückte mir an ihr die Nase platt, während sich die Ränder des Kohls braun kräuselten. Die Fetttropfen zischten an der heißen Herdwand, jemand öffnete das Fenster, aber ich spürte nichts von dem Luftzug, sondern stieß mit dem Knie gegen die Pfandflaschen. Es klirrte laut, und alle waren eine Sekunde lang still, dann wurde weiter geredet und geflüstert, laut gelacht und angestoßen, und ich hörte Vince sprechen, verstand aber nur Fetzen, denn er sprach mit vollem Mund zu allen anderen, nur nicht zu mir. Eigentlich auch zu mir, denn ich war eine von allen anderen. Vince war gut darin, zu demonstrieren, dass wir nur Brückenfreunde waren. Dass wir uns über Lene kannten, aber nicht direkt. Er war gut darin, mich vor allen Leuten beiläufig Dinge zu fragen, die er längst wusste, damit niemand auf falsche Gedanken kommen konnte. Und wenn ich mal aufs Klo musste, blieb ich ein bisschen länger als nötig im Bad,weil die Stimmen dort nur noch dumpf ankamen und die Fliesen eine angenehme Kühle abstrahlten.
    Friedrich war nicht mitgekommen zu der Party. Seine Ausrede war nicht einmal eine wirkliche Ausrede gewesen, ich wusste, dass es ihm nicht behagte, mit vielen Menschen in einem Raum zu sein, die er nicht kannte oder nur flüchtig. Ich hätte sagen können, dass ich es schön fände, wenn er mitkäme, aber ich sagte es nicht, denn er hätte nur in der Ecke gesessen und ich hätte mich schlecht gefühlt, wenn ich mich mit jemand anderem unterhielt. Und nun fühlte ich mich ohne ihn schlecht, denn ich konnte nicht einfach zwischendurch zu Vince gehen und ihm kurz durch die Haare streichen. Ich fühlte mich schlecht, weil ich wusste, dass ich

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