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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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Rücken und genoss den Halbschatten. Die Fenster im oberen Stockwerk des Hauses waren geöffnet und Klaviermusik drang zu uns heraus. Ich konnte nichtausmachen, ob da jemand tatsächlich Klavier spielte oder ob eine CD lief, die Melodie war leise, ein bisschen zaghaft. »Wir sind doch nicht im Film«, flüsterte Lene, als sie, eine Hand auf meiner Schulter, das Haus umrundete. Ich ließ die Eingangstür offen stehen, die Rückseite des Hauses wurde nicht mehr direkt von der Sonne angestrahlt, es war relativ kühl. Und wenn man die Augen schloss, konnte man sich einreden, man wäre woanders.

    Als die Katze begann, im Garten Gespenster zu jagen, setzte ich mich auf die Stufen vor der Tür. Lene war inzwischen wieder eingeschlafen, die nassen Handtücher um ihre Waden machten einen feuchten Fleck auf dem Sofa, der mir so egal war wie die kleinen Knoten, die sich während dieser Tage in meinen Haaren gebildet hatten. Ich rief Vince an und fragte, ob er kommen könne. »Wo seid ihr?«, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung, es war mir fast egal, wer es war, ich hatte keine Kraft mehr. Mein Kopf blieb dort am Türrahmen gelehnt, während mein Körper den Steinweg entlang zur Straße ging und ein Schild ausfindig machte, auf dem der Name der Straße stand. Mein Mund gab die Koordinaten durch, meine Finger drückten die Taste zum Auflegen und hielten das Telefon fest, während mein Körper wieder seinen Platz an der Tür einnahm. Ich schaute der Katze dabei zu, wie sie auf ihren Hinterbeinen herumtanzte, und löschte beinahe wahllos Nummern aus meinem Telefonbuch. Auch Friedrichs Nummer. Wie aus Versehen. Der Moment, in dem die Schrift auf dem Display fragte, ob ichFriedrich Wendelin wirklich löschen wolle, und ich bestätigte, verharrte noch einen Augenblick mit einem leichten Schmerz in meiner linken Brust. Dann schepperte es, Lene hatte die Stehlampe umgeworfen, und der Schmerz war verschwunden.

    Zwischen den Kacheln drehte ich mich in Richtung Fenster, um einen Blick auf das Wetter zu werfen. Um zu wissen, was ich gleich anziehen musste, um nicht zu schwitzen oder zu frieren und in der absurden Hoffnung auf Regen. Dann sah ich die Möwe. Sie schaute mir zu, wie ich nackt im Bad stand, für ein paar Sekunden standen wir beide völlig unbewegt, wie erstarrt und schauten einander an. Dann ruckte ihr Kopf schlagartig herum. Das weiße Gefieder zitterte für einen Moment. Als ich zum Duschkopf griff, machte ich mich klein, bewegte meine Arme ganz langsam, um sie nicht zu erschrecken. Wir beobachteten einander, abwechselnd vielleicht, ich hatte das Gefühl, sie schaute aus dem Augenwinkel, konnte es aber nicht genau erkennen. Sonst duschte ich immer allein, ich schloss auch jedes Mal das Badezimmer ab und kontrollierte, ob die Tür auch wirklich nicht zu öffnen war. Hinter der Möwe war das gelbe Haus auf dem Nachbargrundstück zu sehen. Niemand schien darin zu wohnen. Es hatte keine Gardinen, keine Vorhänge oder Rollläden, keine Blumenkästen oder Fensterschmuck. In einen Fensterrahmen war Pappe geklebt, hinter einer Scheibe bewegte sich irgendwas, aber vielleicht waren es auch nur das Licht und die Hitze, ein Flimmern oderDampfen. Das Gras im Vorgarten war lang gewachsen und suchte sich einen Weg durch die Lücken zwischen den Holzlatten des Zaunes unserer Vermieter. Dort begannen die akkuraten Linien. Nun schaute mich der Vogel wieder an, er sah mir zu, wie ich in das kleine Quadrat der Dusche stieg, wie ich langsam nass wurde und meine Augen schloss. Ich blinzelte manchmal, aber jedes Mal war die Möwe noch da. Sie saß nur dort und sah mich warten und tropfen, während das einfallende Sonnenlicht seltsam bunte Reflexe auf meiner Netzhaut hinterließ. Dann sprang sie. Von drinnen sah es so aus, als stürze sie sich hinab, die Kante hinunter in eine Leere. Ich winkte mit dem rechten großen Zeh, doch das bemerkte sie nicht mehr. Als mein Telefon im Nebenraum klingelte, landete die Möwe auf der Dachantenne des gelben Hauses. Ich konnte es nicht sofort finden, das Klingeln wurde immer lauter mit der Zeit, und ich suchte und suchte, bis ich auf der Fußmatte vor der Tür stand. Noch nackt und triefend drückte ich die grüne Taste, Lene richtete sich inzwischen auf und kratzte sich die Knie. »Tonia?« Es war Friedrich. Und ich sagte kein Wort. Aber ich lief ins Bad zurück, während er sprach. Ich streichelte Lene beruhigend über den Kopf, ich atmete leise, sodass er einmal nachfragte, ob ich am Apparat sei.

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