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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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nur gewollt hatte, dass er mitkommt, um nicht alleine zu sein. Und um danach fragen zu können, warum er die ganze Zeit nur herumgesessen und nichts gesagt habe und wieder einen Grund zu finden, zuhause zu schlafen. Friedrich wusste das, also vermied er die Situation und blieb daheim.
    Das kalte Wasser aus dem Hahn lief über meine Handgelenke und ich betrachtete meine roten Wangen im Spiegel über dem Waschbecken. Es klingelte, jemand öffnete, noch mehr Stimmen füllten den Raum, und ich wünschte mir, ich könnte immer im Bad bleiben, ein paar Sätze verstehen, wenn ich mich konzentrierte, aber ohne teilnehmen zu müssen. Aber ich ging zurück, lehnte mich mit dem Rücken an die Raufasertapete, spürte die Scheuerleiste in meinem Rücken, meine Socken hatten Soßenflecke. Manche Gäste trugen ihre Schuhe den ganzen Abend lang, man bekäme ja so schnell kalte Füße. Aus den Boxen der Stereoanlagetönten Trompeten, und als ich das bemerkte, schüttelte ich den Kopf. Ich hatte gedacht, so würden wir nie werden. Die Wohnung sei ja auch so schön groß, aber morgen müsse man früh raus, im neuen Jahr die Pläne, ach. Lene hing eine Haarsträhne in den Wimpern, die sie sich nicht aus dem Gesicht strich und die bei jedem Zwinkern mitzuckte. Man redete über die Vergangenheit und die Zukunft, niemand konnte damals voraussehen, was in diesem Sommer passieren würde, man sprach von Studienabschlüssen und Urlaubszielen, rekapitulierte die vergangenen Monate, wünschte sich mehr Optimismus und Realismus und mehr Engagement, und alle wollten bessere Menschen werden. Übermorgen dann. Zum Rauchen gingen sie auf den Balkon in den Innenhof, die Löffel, die sie nicht mehr brauchten, warfen sie in die leeren Töpfe. Und Lene rückte sich ihren Ausschnitt zurecht, stellte sich dann neben Tim und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. Die Augen aller wurden mit den Stunden immer kleiner, man redete über Geld, und wenn man mutig war, schaute man sich dabei direkt an oder auf die Nasenwurzel oder die getuschten Wimpern. Von jedem der Gäste kannte ich den Namen, von den meisten hatte ich die Telefonnummer, auch wenn ich nie anrief. Von manchen kannte ich sogar die Eltern. Ich wusste von ihren Bettgeschichten. Ich wusste die meisten Geburtsdaten, und der Rest stand im Kalender, ich wusste, in welchen Farben sie sich gut fanden, was sie studierten und mit welchem Club man niemandem kommen musste, wenn es um die Abendgestaltung ging. Ich kannte viele Fehltritte, Wünsche und vage Pläne. Und wie manche von ihnen aussahen, wennsie weinten. Von allen kannte ich das Lachen und wie sie aussahen, wenn sie betrunken waren. Als ich die Auflaufform aus dem Ofen holte, legte sich Dampf auf die Mitte meiner Oberlippe. Der Rand der Form war schwarz angelaufen, die Rouladen glitzerten goldbraun, die Soße blubberte. Lene schob ein Blech unter meinen Armen hindurch in den Ofen, die Hitze kam schon durch die Handschuhe. Arme mit leeren Tellern streckten sich mir entgegen und ich tat jedem auf. »Mein Kopf wiegt fünf Kilo«, sagte ich leise, als Vince mir seinen Teller über den Tisch schob. Er fragte nicht nach, wahrscheinlich hatte er mich nicht gehört. Auf dem Fensterbrett saß Lene und leckte Puddingreste aus einer kleinen Schale. Tim saß auf dem Boden, hatte den Kopf an die Wand gelehnt und die Augen geschlossen. Und Vince und ich räumten das Geschirr zusammen, leerten Weinreste aus den Gläsern in die Spüle, wischten Flecke vom Boden, kippten Essensreste in den Müll. Manchmal berührten sich unsere Arme zufällig, nur einmal schaute er dabei auf, danach kam es nicht mehr vor. Nicht einmal Lene wusste von unseren Nachmittagen vor der Markise, nicht einmal Lene durfte etwas sehen. Und nun standen wir hier auf einem Campingplatz, ein halbes Jahr später und ohne Winter und Lene, denn die saß auf einem Campingstuhl und beobachtete eine Horde pubertierender Teenager. Wir kochten Suppe, starrten auf das kochende Wasser, rührten um und sagten fast kein Wort, aber manchmal sahen wir uns an, und ich weiß nicht, ob aus Versehen oder absichtlich, aber es war okay und niemand schaute zu früh weg und keiner von uns beiden zu spät. Vorsichtig trug Vince die heiße Suppezurück zum Wagen, ich holte Schüsseln aus einem schmalen Einbauschrank, und Lene blieb weiterhin einfach sitzen. Wir tunkten Knäckebrot in die Brühe, und Vince erzählte, wie er damals in den Sommern bei seiner Tante, der dieser Wohnwagen gehörte, Freundschaften

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