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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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würde. Du isst vier Stück Torte, und immer wieder schenkt sie dir Tee nach, mir Kaffee. Ihre Tassen haben einen Goldrand, manchmal glaube ich, ihre Pupillen auch.
    Sie ist sehr stolz auf dich. Das sagt sie nicht, sie sitzt nur in ihrem Ohrensessel und schaut uns zu, aber nach dem dritten Stück ist man ihr Held, das kannst du nicht wissen. DerFernseher läuft, und während ich dir die Bilderrahmen erkläre und die Menschen darin, lehnt sie sich zurück, und ihr Kopf fällt zur Seite. Schon immer lagen ihre Hände während des Mittagsschlafs gefaltet in ihrem Schoß, als hielte sie einen Schlüssel darin versteckt, als wolle sie Haltung bewahren, auch im Schlaf noch. Du wirst ganz leise, als du siehst, dass sie eingenickt ist, du versuchst, beim Aufstehen kein Geräusch zu machen. In der Küche stellst du dich hinter mich und hältst mich fest neben dem Regal mit den Gewürzen und dem Mehl. Sieh, hier komme ich her, hier habe ich die Nachmittage meiner Kindheit verbracht und Rätsel in der Fernsehzeitung gelöst, bis meine Eltern mich am Abend abgeholt haben. Ich habe kochen gelernt und Spatzen gefüttert mit den Krümeln vom Frühstück, die hat sie mir aufgehoben. Wozu man Blumentopfunterteller braucht und warum man nicht alle Namen aus einem Adressbuch noch anrufen kann, wie man einen Knopf annäht, und warum es durchaus Sinn macht, einen Kalender zu kaufen, bei dem man jeden Tag ein Blatt abreißen kann. Es gäbe nichts Schöneres, hatte sie gesagt, als seine Tage aufeinander liegen zu sehen, zu sehen, was man geschafft hat. Außerdem seien die Zeichnungen so hübsch.
    Ich stelle das Kaffeegeschirr in die Spüle, im Fernsehen singt eine Dame mit Fönfrisur vor einer Berglandschaft. Am Küchentisch blätterst du gerade durch ihre Kochbücher, in die sie Zettel mit kleinen Notizen legt, als sie wieder kerzengerade in der Küchentür steht. Ihre Haare sind auf der einen Seite vom Sesselkissen platt gedrückt, sofort schiebt sie mich beiseite und übernimmt das Kommando, mir bleibt dieFernsehzeitung. Du darfst dir etwas wünschen, sie wird es dir kochen, wenn wir das nächste Mal kommen. Und du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet. Als wir gehen, steht sie am Fenster und sieht sorgenvoll hinaus. Sie wartet, bis sie denkt, dass wir sie nicht mehr sehen können. Vor ihrem Auge verschwimmen wir schneller, als ihr lieb ist. Manchmal glaube ich, sie winkt noch, wenn wir schon zuhause angekommen sind, nur zur Sicherheit.

    Es brannte Licht, als wir zurückkamen. Vince hatte den Tisch und die Eckbank zu einem Bett umgebaut, der Wasserkocher machte Geräusche. Ich ging noch duschen, acht abgezählte Minuten unter warmem, fast heißem Wasser. Als ich zum Wohnwagen kam, lag Lene schon im Bett. Auf der Bettkante saß Vince, ein Buch auf den Knien. Ich musste kurz lachen, sie sahen aus wie Vater und Tochter, auf dem Boden standen drei Tassen mit dampfendem Tee. Ich schlief ein, als es draußen langsam wieder hell wurde.
    Gegen Mittag wachte ich auf, es war stickig im Wagen, fremde Haut berührte meine, ich musste Vinces Hand behutsam von meinem Arm nehmen, um aufstehen zu können. Draußen war geschäftiges Treiben, der Himmel war knallblau, keine einzige Wolke war zu sehen. Die Brötchen beim Bäcker waren schon ausverkauft, also nahm ich ein Brot und legte es im Wagen auf den Tisch. Dann ging ich schnurstracks zum Wasser, zog mich aus, und bei den ersten Schwimmzügen stockte mir der Atem. Die Geräusche wurden leiser, als ich weiter raus schwamm, ich tauchte unter,das Licht fiel in Streifen auf das Blau, zehn Zentimeter Meer zwischen mir und dem Himmel. Meine Füße berührten den Boden nicht mehr. Ich schwamm zurück, blieb noch eine Weile im kniehohen Wasser sitzen, beobachtete die Kinder mit den Mützen und Hüten und genoss das Gefühl, wie das Wasser mir den Sand über die Beine spülte. Lene und Vince saßen mit kleinen Augen und zerknautschten Gesichtern in den Campingstühlen, als ich nass und zufrieden zurückkam.
    Wir aßen Butterbrote am Strand, und Lene erzählte sogar, dass sie zum ersten Mal seit unserer Abfahrt nicht geträumt hatte. Mir tropfte Salzwasser von den Haaren auf unsere Picknickdecke, als Lenes Handy klingelte. So laut und durchdringend, dass wir drei uns für einen Moment anschauten, Vince verschluckte sich filmreif. Das Brot in meiner Hand legte ich zurück auf den Teller, ich wagte nicht einmal aufzuschauen. »Dann wollen wir mal«, sagte Lene, stand auf, und ging mit dem Telefon am Ohr aufs

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