Und immer wieder Liebe Roman
mit eurem Geschäft passiert, wo ihr weggeht. Heutzutage eröffnen doch überall Klamottenläden. Als würden die Leute nur noch an so etwas denken.«
»Ein anderer Antiquitätenhändler übernimmt unseren Laden, Emma. Wir haben nämlich auch die Lizenz verkauft. Du kannst also beruhigt sein, der Platz wird sich nicht verändern. Und soviel ich begriffen habe, mag er Romane.«
»Ihr werdet mir trotzdem fehlen, Gaston. Ernesto ist tot, ihr zieht weg, und ich hänge doch so an liebgewonnenen Gewohnheiten und Freunden, an Zeiten und Ritualen. Veränderungen
bringen mich aus dem Konzept. Jetzt geht nicht nur ein Jahr zu Ende, sondern auch gleich eine ganze Ära.«
»Wir gehen ja nicht weit weg, Emma. Du kannst uns jederzeit in Nizza besuchen, das wird dir guttun.«
Alles um mich herum verändert sich, und jetzt haben wir schon den soundsovielten Dezember, das Geschäft ist halb leer, die Tische kahl. Der Einzige, der zufrieden wirkt, ist Alberto.
Mailand, den 25. Dezember 2004
Via Londonio 8
Lieber Federico,
jetzt bin ich wieder zu Hause. Unser Weihnachtsfest im »erweiterten« Kreis hatte etwas von den großen Familienfeiern von früher, auch wenn man heute nicht mehr so sehr auf Konventionen achtet und die Plätze am Tisch nicht mehr nach Vermögen und Ansehen verteilt. Es war ein vertrautes Grüppchen, das sich bei meinen Ex-Schwiegereltern zum Essen versammelt hatte: Michele und Marina, Mattia und Carlotta, Marinas Bruder und ihre Eltern, die ebenfalls geschieden sind und jeweils ihren neuen Partner dabeihatten. Wir saßen alle an einem perfekt gedeckten Tisch, wie ich ihn nie hinbekommen würde, und als es Zeit war, die Geschenke auszutauschen, habe ich eine fast kindliche Freude in den Gesichtern entdeckt. Ich habe uns beobachtet und musste denken, dass die Biologie gar keine Rolle spielt, sondern sich in diesem Gemisch aus gescheiterten Beziehungen und Ehen einfach eine allgemeine Zuneigung breitmachte. Dann habe ich an Dich gedacht – das ist jetzt ein Geständnis – und habe mich wie jene Frauenfigur gefühlt, die im Roman und im Leben immer »die andere« genannt wird. Selbst wenn ich es in meinem Fall mit einem großen »A« schreiben würde, muss man nicht um
den heißen Brei herumreden: An Weihnachten haben Geliebte nichts zu sagen. Ich werde pathetisch, aber es war wenig mehr als ein Stich, der mir durchs Herz fuhr. Als ich Deine Entfernung gespürt habe, habe ich mich aufs Essen gestürzt. Gott sei Dank dauert Weihnachten nur einen Tag, und nach Neujahr wird alles sein wie gehabt. Das Menü war »spitzenmäßig«, um mit Mattia zu sprechen: Agnolotti in Brühe, ein Kapaun von der Größe eines Truthahns, eine Pastete und ein feuriges Finale mit einem Panettone Porcone, der in Wahrheit ein ganz normaler Panettone war, über den wir aber flüssige Schokolade haben fließen lassen. Ich höre jetzt auf.
Du sollst nur wissen, dass Du in Deiner Eigenschaft als mein über alles Geliebter auch gestern Abend bei mir warst.
Aus ganzem Herzen frohe Weihnachten, mein Liebster.
Deine Emma
Mailand, den 20. Januar 2004
Gasthaus zur Lust und zur Liebe
Lieber Federico ,
seit zwei Wochen habe ich schon keinen Brief mehr von Dir bekommen. Du magst beschäftigt sein, Du magst auf Reisen sein, es mag die Grippe sein, die Morgan Library... sicher... Qué séra, séra – es kommt, wie es kommt, sage ich mir, auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnere, wer das gesungen hat. Ich schicke Dir diese Karte von unserer Jane Austen, eine Karikatur von Mike Caplanis, die zu den Neuerwerbungen des Buchladens gehört: Lesezeichen, Postkarten und Kühlschrankmagnete mit Motiven von Schriftstellerinnen. Sie verkaufen sich gut, und ich habe die exklusiven Vertriebsrechte für Italien. Ich warte vertrauensvoll.
Emma
Bücher werden geschrieben und verlegt, um berührt und in die Hand genommen zu werden – im Bett, auf einer Parkbank, im Bus, auf dem Fußboden, im Gras. Sogar auf dem Asphalt. Leute lesen vor allem gerne, wenn sie warten, am Bahnhof zum Beispiel. Im Liegestuhl am Strand liest man in den frühen Morgenstunden oder bei Sonnenuntergang. Im Wartezimmer beim Zahnarzt legt sich die Anspannung, wenn man liest. Das tue ich auch beim Kosmetiker, um die Dual der Wachsprozedur ertragen zu können.
In Disneyland habe ich Lewis Carroll gelesen, während sich Mattia in »Alices Tassen« herumdrehen ließ oder sich mit seinem Vater auf hochgefährliche Fahrgeschäfte wagte. Ein Buch ist
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