Und immer wieder Liebe Roman
wir einer Buchhändlerin und dem Internet. Du hast schon mehr als genug für uns getan.«
»Schsch, man versteht ja gar nichts. Könnten Sie ein bisschen
leiser reden?«, beschwert sich eine Dame, denn meine Begeisterung ist offenbar so groß, dass ich immer lauter geworden bin. Alice und Manuele heiraten. Warum macht mich das so überaus glücklich? Es war doch eigentlich klar, dass sie irgendwann heiraten würden.
Ich werde rührselig. Wer weiß, wann Mattia heiratet. Oder Sarah, seine Sarah. Durch nichts kannst du dich wichtiger fühlen als durch eine Hochzeit.
»O Gott, Alice, am liebsten würde ich Manuele in den Arm nehmen.«
»Beruhige dich, Emma, du bist ja noch aufgeregter als ich. Und besser nicht: Das ist ihm peinlich, das weißt du doch.«
»Ich bin nicht aufgeregt, Schätzchen. Ich bin überhaupt nicht aufgeregt. Es ist nur... Das ist die erste gute Nachricht seit langer Zeit.«
»Manchmal vergisst man das Offensichtliche, Emma. Warum nehmen wir nicht Jacques Prévert? Unter seinen Gedichten gibt es wahre Juwele wie dieses hier:
Cet amour
Si violent
Si fragile
Si tendre
Si désespéré
Cet amour
Beau comme le jour
Et mauvais comme le temps
Quand le temps est mauvais
Cet amour si vrai
Cet amour si beau
Si heureux
Si joyeux
Et si dérisoire...
Und so weiter und so fort. Was hältst du davon? Sollen wir eine Lesung für diesen herrlichen Februartag machen?«
»Manuele, ich bitte dich. Es ist verständlich, dass deine Gefühle verrückt spielen, aber um Himmels willen nicht am Valentinstag! Denkst du denn gar nicht an all diese armen Frauen und Männer, zu denen du auch einmal gehört hast, bevor Alice dich aus dem Abgrund des Junggesellendaseins gerettet hat? Denkst du allen Ernstes gar nicht an diese armen Leute, die weder Verlobte, noch Freundin, noch Geliebte, noch wenigstens eine Verehrerin haben? Ich werde ein Schaufenster über Mittelwege machen, und damit basta.«
»Mittelwege?«
»Die Freundschaft, zum Beispiel.«
»Wo zum Teufel willst du einen Roman über eine Freundschaft zwischen Mann und Frau hernehmen? Früher oder später landen sie doch unweigerlich im Bett, oder es passiert sonst irgendetwas Komisches.«
»Ich bin nicht in der richtigen Stimmung für ein so kommerzielles Fest. Das ist doch total scheinheilig. Außerdem bin ich heute ohnehin zu müde, um mir Schaufensterdekorationen auszudenken. Ah, da kommt ein müder Wolf, der gute Camillo. Lass uns den Test machen«, rufe ich und winke. »He, Cami, sag mal: Hat es deiner Meinung nach Sinn, am Valentinstag öffentlich Gedichte vorzulesen, wo es doch so viele Unglückswürmer gibt, die partout nicht wissen, wem sie eine Blume oder einen Roman schenken sollen, und denen auch niemand eine Blume oder einen Roman schenkt? Kann man so etwas machen angesichts all
der verzweifelten Einsamen? Und nicht zu vergessen die einsamen Zufriedenen! Manuele hat die Gedichte von Jacques Prévert wiederentdeckt.«
»Als ich zwanzig war, habe ich stapelweise Liebesbriefe bekommen, die ich, meiner Ehefrau zum Trotz, immer noch aufbewahre. Sie stammen von einer schönen Christine aus dem Norden, aus Pas de Calais. Und ich kann noch viele Passagen auswendig. Sie wollte, dass ich für immer bei ihr bleibe, aber ich blieb nur eine Nacht. ›J’aime quand tu me regardes, quand tu me caresses et surtout quand tu me fais l’amour‹, schrieb sie. Ich mag es, wenn du mich anschaust, wenn du mich berührst und vor allem, wenn du mich liebst. Dennoch bin ich ganz deiner Meinung, Emma, der Valentinstag ist nur ein Geschäft für Restaurants und Pizzerien. Bei Literatur ist da Fehlanzeige, würde ich sagen.« Er nimmt mich am Ellenbogen und führt mich ein paar Schritte außer Hörweite. »Emma, ich muss mit dir reden«, flüstert er. »Ich möchte nicht über deine Zeit verfügen, aber ich bin extra für ein, zwei Stunden aus der Praxis verschwunden. Es ist absolut dringend – ich muss dir unbedingt erzählen, was passiert ist. Du musst wissen, dass ich nur die Ruhe bewahre, weil mich meine gute Erziehung daran hindert, vor Wut loszubrüllen, aber ich bin sehr, sehr, sehr wütend.«
»Lass uns ins Gasthaus gehen, da stört uns niemand.«, schlage ich vor. »Ist alles in Ordnung mit Valeria? Komm mir nicht mit schlechten Nachrichten, wenigstens du nicht«, sage ich, als wir uns gegenübersitzen.
»Ich habe Laura gesagt, dass mir jetzt der richtige Moment für eine Scheidung gekommen scheint. Mit Valeria geht es mir gut. Und Laura geht
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