Und immer wieder Liebe Roman
Horizont. Weiß getüncht, mit grüner Haube, das Fundament unter Wasser, schwimmt der schlanke Zylinder wie ein Sektkorken auf dem Wasser. Die longères (in Bonbonfarben gestrichene Fischerhäuser – strohgelb, babyrosa, himmelblau) scheinen das Meer zu umarmen. Auf der Mole weichen zwei mit Gepäck beladene Menschen in tomatenroten Jacken den knochigen Beinchen von zwei Kindern aus, die einer tief fliegenden Möwe hinterherspringen. Das Meer schwappt gegen die niedrigen Hafenmauern, ohne die angelnden Kinder, die in Erwartung einer fetten Beute ins Leere starren, irgendwie zu stören.
Und dann... er.
Plötzlich erscheint mir nichts lächerlicher als all die Sorgen, die mich bis zur Ankunft auf dieser Insel gequält haben – von der ich nichts wusste, die ich aber immer schon kennenlernen wollte, wie ich jetzt staunend feststelle. Nichts ist dämlicher angesichts dieser aufgeregten Wellen, die mich in den Hafen tragen, als die Angst vor zerzausten Haaren, nicht ganz perfekter Schminke, verschmierter Wimperntusche. Die Locmaria verlangsamt ihre Fahrt und schiebt ihren plumpen Körper an die Kaimauer heran.
Federico trägt eine gelbe Regenjacke, aus der ein blauer Rollkragenpulli hervorschaut. Die Hände in den Taschen, kerzengerade auf dem Kai ausharrend, steht er da, und plötzlich bricht sich der Überschwang, der sich in den mehr oder weniger geistreichen Briefen so gut getarnt hat, seine Bahn und setzt sich mitten in meinem Körper fest. Ich möchte über das Wasser laufen und ihm entgegenrennen, kann mich kaum gerade halten. Als er mich entdeckt, hebt Federico seine Arme, schwingt die Hände wie Willkommensfähnchen und lächelt. Natürlich lächelt er. Er lächelt, wie nur er es vermag, mit dieser besonderen Intensität, die sich über die Wangen bis in die Augen fortpflanzt. Unwiderstehlich. Unsicher wie ein Backfisch ziehe ich die Ärmel meiner Jacke über die Hände, mit der Rechten halte ich mich am vergissmeinnichtblauen Wollstoff fest, und mein Herz ist plötzlich ganz still, als hätte ihm jemand vorsichtshalber eine Herzmassage verpasst.
Ganz regelmäßig schlägt es jetzt.
Pum, pum, pum.
All meine Unsicherheiten schmelzen zu einem einzigen Ton zusammen.
Pum, pum, pum.
Federico ist nur ein paar Meter von mir entfernt, und ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.
Pum, pum, pum.
Ein Kormoran breitet die Flügel aus und wird vom Himmel verschluckt.
Das La Touline ist ein Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert und liegt ein paar Schritte vom Hafen von Sauzon entfernt. Das Hotel hat zwei Stockwerke und fünf Zimmer, und auf ordentlich gemähten Rasenflächen stehen blau-weiß gestreifte Liegestühle, Korbsessel und schmiedeeiserne Tische. Am Eingang erwarten uns dicke Steinmauern und das harmonische »r« von Madame Annick Bertho mit ihren schüchternen, hellen Augen und den blonden Strähnchen in der kastanienbraunen Kurzhaarfrisur. Ich folge Federico die Treppe hoch und sehe, dass sich überall Sandspuren in die Holzoberfläche eingegraben haben. Er hat einen Arm um meine Schulter gelegt, mit der anderen Hand trägt er meinen Koffer. Über der Schulter hängt seine eigene Tasche, und noch einmal murmelt er mir ein »Willkommen« ins Ohr. Unser Zimmer, die Nummer 5, liegt im zweiten Stock. Es ist gemütlich und schlicht; alles hat seinen Platz. Es sieht beinahe so aus, als hätte man seit Jahrhunderten nichts mehr angerührt: Eine Steppdecke, zwei große Kissen mit gelb-blauem Fischgrätmuster am Kopfende (perfekt zum Lesen im Bett). Das Bad mit der großen Wanne ist weiß gekachelt, auf dem Boden liegen mattblau gebeizte Holzdielen.
»Es ist noch hell. Komm, lass uns eine Erkundungsfahrt machen«, schlägt Federico vor. »Ich habe einen Jeep gemietet.«
Der weise Federico, der von einer unerschütterlichen Sicherheit beseelt ist, fegt Befangenheit und Scheu beiseite.
»Gib mir fünf Minuten«, antworte ich und verschwinde im Bad. Sorgfalt ist eine Form von Schutz.
Wir sind glücklich, uns zu sehen. Glücklich, und das reicht
schon. Wir müssen es nicht auch noch sagen. Im apfelgrünen Citroen Méhari, einem Spielzeugauto, das beim ersten Windstoß wegfliegen zu wollen scheint, singt Billy Swan I Can Help.
»Ich habe mich erst beruhigt, als ich deinen Hut sah«, sagt mein Lieblingsarchitekt.
»Ich hatte auch Angst«, antworte ich. »Aber die ist wie weggeblasen, seit du bei mir bist.«
Er nickt lächelnd und nimmt mir die Kontrolle über mein Hirn, das über ein allgemeines
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