Und immer wieder Liebe Roman
stellt sich heraus, dass sie selbst ihren Tod provoziert hat, weil sie Krebs hatte. Daraufhin zündet die
Haushälterin das Haus an... und so können der Reiche und seine zweite Frau glücklich und zufrieden leben.
Vielen Dank im Voraus für eine Antwort,
Manuele
Sie wendet sich ratlos an mich.
»Emma, wer ist diese Daphne du Maurier? Rebecca erinnert mich an einen Film. Ein Kunde fragt danach.«
»Daphne hat sich ins gemachte Nest gesetzt. Sie war die Tochter von Sir Gerald du Maurier und die Nichte des Schriftstellers George du Maurier, einem engen Freund von Henry James. Ein Günstling war sie.«
Signora Lucilla, die soeben den Laden betreten hat, antwortet an meiner statt. Sie ist Englischlehrerin am vornehmsten Gymnasium der Stadt und eine begeisterte Leserin der Todesanzeigen in der Times, die ihrer Meinung nach »besser dazu geeignet sind, die englische Sprache zu lernen, als jeder andere Text«. Außerdem ist sie eine treue Anhängerin von Lust&Liebe und dem Jasmintee, den man hier bekommt. Lucilla stellt ihre Tasche auf den Tresen, nimmt ihren Hut ab und nähert sich mit plötzlicher Vertrautheit meinem Ohr: »Ich habe panische Angst, Emma«, flüstert sie eindringlich.
»Wegen Rebecca?«
»Nein, wegen meines Ehemanns.«
»Alice, such bei ›Von hier in alle Ewigkeit‹. Eigentlich ist es ein Krimi. Nach einer anderen Erzählung von Daphne hat Hitchcock den Film Die Vögel gedreht. Erinnert ihr euch an die Szene mit der Telefonzelle, als lauter Vögel um den Hauptdarsteller herumflattern? Ich habe danach nicht schlafen können. Die Inhaltsangabe, die dein Manuele von Rebecca gibt, ist übrigens ziemlich grob. Eine Tasse Tee, Lucilla?«
»Ein Kamillentee wäre gut.«
»Was ist mit Ihrem Ehemann, dass Sie so in Sorge sind?«
»Er geht in einem Monat in Pension.«
»Wie schön, da können Sie beide ja eine Menge interessanter Dinge zusammen unternehmen: spazieren gehen, lesen, Freunde besuchen, die Sie schon lange nicht mehr gesehen haben, sich wohltätig engagieren, morgens ausschlafen. Es ist fantastisch, in Pension zu gehen.«
»Meinen Sie? Den ganzen Tag im Schlafanzug vor dem Fernseher oder depressiv in Gärten herumhängen? Mein Ernesto hat nie in seinem Leben eingekauft oder eine Rechnung bezahlt, sogar seine Hemden und seine Socken kaufe ich ihm. Sein Leben besteht aus Physik und Schülern.«
Ich nicke verständnisvoll. Für sie bedeutet Pension eine Art Weltuntergang.
»Wieso denn bitte mein Manuele? Guten Tag, Lucilla«, unterbricht uns Alice und bückt sich, um den Handschuh der ängstlichen Dame aufzuheben.
»Manuele, der Vielschreiber, der möglicherweise arbeitslos ist und unser Geschäft mit Mails zupflastert. Mittlerweile schreibt er ja nur noch an dich. Einen Brief hat er mit ›Liebe Emma‹ begonnen, aber offensichtlich hat er begriffen, dass ich kein gutes Opfer bin. Rebecca könnte übrigens auch bei den ›Dreiecksverhältnissen‹ stehen, ansonsten bestell es einfach. Oder weißt du was? Bestell gleich ein paar Exemplare mehr.«
Zufälle. Wie kommt dieser Nichtsnutz ausgerechnet auf diesen Roman, der seit Jahrzehnten im Niemandsland der vergriffenen Bücher verschollen ist? Vergiss es, nichts wird mir meine schwer erkämpfte Gelassenheit nehmen.
»Dieser Manuele hat immer irgendwelche Romantipps. Lies mal.«
Liebe Alice,
ich empfehle Dir Metamorphosen (auch Der goldene Esel genannt) von Apuleius. Außer dass es sich um einen der zwei einzigen erhaltenen lateinischen Romane handelt (der andere ist Satyricon von Petronius), enthält er das berühmte Märchen von Amor und Psyche, das weiß Gott wie viele Kunstwerke inspiriert hat, Skulpturen, Gemälde und so weiter. Kennst Du es? Psyche ist ein so schönes Mädchen, dass es Eifersucht erregt, und zwar bei Venus höchstpersönlich! Die schickt also ihren Sohn (Eros, Amor, Cupido, nenne ihn, wie Du willst) mit dem Befehl, seinen fatalen Pfeil so abzuschießen, dass sie sich in den hässlichsten Mann der Erde verliebt. Aber... Amor verliebt sich in Psyche, stiehlt sich nachts zu ihr und nimmt ihr das Versprechen ab, dass sie niemals versuchen wird, ihm ins Gesicht zu schauen. Sie bricht das Versprechen natürlich und wird schwer dafür bestraft. Letztlich heißt es aber: Ende gut, alles gut. Psyche wird selbst zur Göttin und heiratet Eros. Das bedeutet, dass Eros (die sinnliche Liebe) mit Psyche (der Seele) eine perfekte Verbindung eingeht. Das ist, stark verkürzt, die Allegorie hinter diesem Mythos. Eine
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