Und immer wieder Liebe Roman
gehabt haben.«
»Er hat sich umgebracht. Ich habe dir das hier mitgebracht.«
»Calvino? Nie gelesen.«
»Abenteuer eines Lesers. In der Titelgeschichte geht es um einen Fall wie dich.«
»Faszinierender Kinderarzt auf der Suche nach Sicherheit und nach jemandem, mit dem er ein bisschen anständigen Sex haben kann?«
»Nicht ganz. Der Protagonist liegt am Strand und liest ein Buch. Er wird von einer Frau verführt, die ihn beim Lesen behindert, schließlich hat er Sex mit ihr und versucht, die Zeile nicht zu verlieren.«
»Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber zwischen einem Buch und einem Fick hätte ich keinerlei Entscheidungsprobleme. Hast du was von Margherita gehört? Ich bin ihr in der Kantine begegnet, aber mir war nicht danach zu fragen...«
»Sie kommt heute Abend und holt mich fürs Kino ab. Giovanni ist wohl eines Abends nach Hause zurückgekehrt, hat sich aufs Sofa gesetzt, sie angeschaut und dann angefangen zu heulen.«
»Wow, warum das denn?«
»Er hatte eine andere, mein Schatz.«
»Hatte?«
»Tja. Nach dem ersten Treffen hat sie gemerkt, dass es ein Irrtum war, und hat es ihm wohl auch genauso gesagt. Sie war schlicht und ergreifend nicht interessiert.«
»Er heult wegen einer anderen und lässt sich von seiner Ehefrau trösten? Was für ein elender Egoist! Arme Marghe...«
»Giovanni möchte zurück nach Hause, Camillo. Und sie liebt
ihn. Also müssen wir das respektieren, okay? Danke für das Essen. Kommst du mit in die Buchhandlung? Ich muss Alice ablösen.«
»Ja, ich begleite dich. Heute habe ich Nachtdienst. Du hast jedenfalls recht, wir sollten besser aufhören mit diesen Liebesgeschichten. Ich meine: In unserem Alter. Wir haben Freunde. Und Kinder. Was will man mehr?«
Federico will ich. Ihn, der mir solch wunderbare Briefe schreibt und keine oder wenigstens nicht besonders große Zweifel hat. Ich sollte ihn nach dem Sex mit seiner Ehefrau fragen, aber ich traue mich nicht. Ich würde es nicht aushalten, und deshalb mache ich auf diskrete Demokratin.
New York, den 8. Dezember 2002
Ort des Friedens Nr. 4 , Greenacre Park
Liebe Emma,
es ist so etwas wie ein Westentaschenpark, dieser Winkel, den ich im Herzen von Midtown gefunden habe. Der Tag heute ist grau, bald wird es regnen (dieses unaufhörliche New Yorker Geniesel, das diesen Park noch einsamer und isolierter macht). Das Wasser des Brunnens dringt zwischen Granitblöcken hervor und wird aufgefangen von Steinbecken, in denen Blätter treiben. Ich spüre Dich neben mir, fühle mich erschöpft und schwerelos. Was auch immer Du sagen magst: Die Zeit lässt die Erinnerungen nicht verblassen. Sie verstärkt sie sogar noch. Ich stille mein Verlangen nach Dir, indem ich in eine Buchhandlung gehe. Diesmal war ich im Strand Bookstore __ 18 miles of books. Die Bücher sind thematisch sortiert, und die Leute sitzen auf dem Boden zwischen all den gebrauchten und von Autoren handsignierten Exemplaren. Was ich genial finde, ist der »Books-by-the-foot«-Service __ Bücher als Meterware. Stell Dir das mal vor, Emma, sie haben dort
allen Ernstes eine Dekorateurin, die Architekten und Einrichter dabei berät, mit welchen Büchern ihre Kunden die Hausbibliothek bestücken sollten, wenn sie nicht nur nicht gerne lesen, sondern es auch gar nicht vorhaben. Die Dekorateurin dekoriert auch Filmsets. Als Meterware nehmen sie meist Bücher, die sich sonst nicht mehr verkaufen lassen, so entrümpeln sie gleichzeitig ihr Lager. Du könntest das Konzept übernehmen, auch wenn ich aus Deinen Erzählungen schließe, dass Kunden und Romane für Dich heilig sind und Du es unmoralisch fändest, mit Büchern zum Sonderpreis kahle Stellen an den Wänden von Ignoranten zu dekorieren.
Im Zwischengeschoss hängt zwischen Schiffen, Sport und fremdsprachigen Büchern ein Schild: A LL BOOK THIEVES WILL BE ARRESTED. Bücherdiebe werden umgehend verhaftet.
Wenigstens das könntest Du übernehmen – für Deinen Dieb.
Ein Kuss,
Federico
P.S. Der rechte Mittelflnger ist verschmiert. Mein Füller tropft. Ich lasse den Tintenfleck __ meine persönliche Revanche an allen Strebern.
Alltag im Stadtzentrum. Den Himmel überzieht ein Flaum, wie in den Liedchen, die wir als Kinder gesungen haben. Die Geschäfte sind nicht gerade überfüllt, und dementsprechend besorgt wirken die Verkäufer. Nur die Bar ist bestens besucht. Die Leute stehen am Tresen, wo die Kellner immer schneller und schneller servieren, wie es sich für diese Metropole
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