Und immer wieder Liebe Roman
große Glück gefunden hat. In Kleidungsfragen orientiert er sich angeblich an Marcel Proust, der allerdings die Haute Couture bewundert hat, während Filippo Borghetti zerknitterte, von seinem Vater geerbte Kombinationen trägt. Er rühmt sich einer umfangreichen Sammlung von Fliegen und hat jeden Tag eine andere an – »je nach Stimmung und Jahreszeit«. Filippo und Gaston sind ganz offensichtlich im Reinen mit ihrer Vergangenheit. Der eine ist eher ein intuitiver, gefühlsduseliger Typ, der andere hingegen neigt zu Zornesausbrüchen und zur Schwärmerei. Mein Problem haben sie aber beide sofort verstanden.
»Wir handeln nur mit kleinen Teilen, Emma. Lieferwagen oder LKWs brauchen wir nicht, aber Sie haben vollkommen recht. Lassen Sie uns heute Abend treffen. Eine Nachbarschaftsversammlung zum Aperitif ist eine wunderbare Idee.«
Jetzt ist Abend; ich bereite eine wunderbare Karaffe Tomatensaft mit Zitrone, Salz,Tabasco und Pfefferkörnern vor und lasse das Rollgitter vor dem Laden herunter. Alice und Manuele sind bereits einträchtig miteinander abgezogen. Junge Leute sind egoistisch, wie man weiß, und die beiden sind noch in der Phase stürmischer Verliebtheit. Außerdem hat sie die moderne Schuhmode vor Problemen mit zu hohen Absätzen erspart.
»Du wärst schneller, wenn du auf Turnschuhe umsteigst«, schlug Alice vor, als ich sie heute Morgen zu dem Geheimtreffen einladen wollte. Es ist nämlich so, dass man auf der Piazza Sant’Alessandro vor Lust&Liebe nicht mehr vernünftig gehen kann. Man ist zu einem schwindelerregenden Schlingerkurs gezwungen, wenn man sich, wie ich, nicht von seinen hochhackigen Schuhen trennen will. Zugegeben, ich mag einen Komplex wegen meiner Körpergröße haben, aber da bin ich nicht die Einzige: Auch unsere Kundinnen sind zu einem beschwerlichen Hindernisrennen gezwungen, um in die Buchhandlung zu kommen.
Der Bürgersteig ist eng, und frau bleibt nicht selten mit dem Absatz im Kopfsteinpflaster stecken. Mitten auf diesem abgeschiedenen Platz parken nämlich Motorroller und Autos, haufenweise buntes Blech, das vor sich hindämmert; dazwischen vereinzelt auch ein Fahrrad. Dort, wo eine kleine Fußgängerzone sein sollte, habe ich heute Morgen siebenundneunzig Mofas und sechs Autos gezählt.
Es ist höchste Zeit, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Der Kampf gegen die Kraftfahrzeuge duldet keinen Aufschub, finde ich. Andererseits reicht es aber nicht, sich nur gegen die Autos und Mofas zu wehren. Wir brauchen Träume und Visionen. Mit seinen beiden Cafés, dem Tabakhändler, der Auslage von Piero, dem Metzger, und Borghettis erleuchteten Schaufenstern könnte der Platz eine kleine Idylle sein.
Maria betritt mein Lokal mit einer Schüssel Gebäck. Der Tabakhändler hat sein Töchterchen dabei, es trägt ein Wollkleid mit Puffärmeln. Don Maurizio, der Seelenhirte des Viertels, ist schnell überzeugt. Er lebt praktisch im Hause des Herrn, hält aber zu seinen Gläubigen, die er seit dreißig Jahren betreut, und hat für alle ein freundliches Wort.
»Wenn ich recht verstehe, Emma, dann wollen Sie ein Parkverbot beantragen, ja?«, fragt er erstaunt.
»Mehr oder weniger. Das Problem ist, dass ich nicht weiß, wie ich das anstellen soll. Ich kann nicht alleine einen Kreuzzug gegen den Verkehr ausrufen.«
»Wenn jeder von uns dafür sorgen würde, dass der Platz vor seinem Geschäft sauber ist, dann wäre der Gesamteindruck sofort viel besser. Wir sollten Ernst machen mit dem Bürgersinn.«
»Klar, aber was hat das mit den Mofas zu tun? Die Leute, die auf einen Aperitif ins Lokal kommen, lassen halt ihre Mofas überall stehen. Möchtest du etwa Kunden verlieren?«
»Die meisten motorisierten Passanten, und das sind vor allem Männer, kommen allein. Morgens stellen sie ihr Gefährt hier ab, und zwar bis abends um sieben. Sie arbeiten bei den Versicherungen und in den Werbeagenturen. Niemand von denen wohnt hier. Um neun ist der Platz dann wie leergefegt.«
»Seinen Nächsten zu bespitzeln, ist eine Sünde, und du bist nicht der Verkehrsbeauftragte. Ich sehe jedenfalls keine praktikable Lösung.«
»Der persönliche Einsatz der Geschäftsleute könnte die Zuständigen milde stimmen.«
»Ich habe, ehrlich gesagt, noch nie von milde gestimmten Politikern gehört. Höchstens, wenn sie sich einen Vorteil versprechen oder wenn eine Wahl bevorsteht. Du fantasierst, Emma.«
Don Maurizio setzt nach zwei Gläsern Tomatensaft sein typisches Lächeln auf und bietet an, in der
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