Und immer wieder Liebe Roman
nächsten Samstagsmesse über die Mofas zu predigen. Auch Maria verspricht, mit den Kunden der Wäscherei zu reden. Filippo wiederum betont die Internationalität seiner Kunden und gibt den Managern aus den Gebäuden gegenüber die Schuld. Irgendwie fühle ich mich alleingelassen (mit meiner Sehnsucht nach Raum, würde Federico sagen).
An der Tür verabschieden wir uns, und ich glaube, in den Augen meiner Nachbarn so etwas wie wohlmeinendes Mitleid zu erkennen. Ich räume die Tische ab, spüle die Gläser und trockne sie langsam mit der Hand ab, weil ich nur so das Gefühl von Machtlosigkeit abschütteln und mir eine Szene vorgaukeln kann, in der es keine Kraftfahrzeuge, sondern nur eine schlichte, gegen den Strom der Zeit ankämpfende Frau gibt. »Für die weichen Herzen gibt es keine Rettung, so geradlinig sie auch ihren Weg gehen und anständige Ziele verfolgen mögen«, schrieb Dorothy Parker in einem müden Moment ihres komplizierten Lebens.
New York, den 22. April 2003
42 W 1O th St
Liebe Emma,
allmählich hasse ich diese mühsame Rückkehr in den Alltag nach unseren gemeinsamen Tagen, diese Trennungen und meinen hoch komplizierten Charakter. Dein Lachen, das Chaos am Fußende des Bettes, Dein Körper – ich sehe es alles vor mir. Ich werde mich nie an dir sattsehen können, Emma, Du Spätzchen von einer Frau. Wie wir uns geliebt haben in diesem geschmacklosen Hotel, gerade so, als hätten wir seit Jahrzehnten danach gehungert. Irgendwie fühle ich mich wie ein Idiot.
Neuer Absatz.
Ich kann mein Leben nicht umkrempeln. Jeden Tag spüre ich, wie mir Anna entgleitet und Du, die weit Entfernte, mir immer näher bist. Ich möchte so gerne aufrichtig zu ihr sein. Mit ihr zu sprechen, wäre ein Leichtes. Wäre. Was ich ihr zu sagen hätte, wäre schnell gesagt: »Ich habe mich in eine andere verliebt, wir schreiben uns Briefe, gesehen haben wir uns aber nur drei Mal«. Sie würde mir nicht glauben. Anna ist gut darin, Leid von sich
fernzuhalten und alles Unangenehme sanft und bestimmt beiseitezuwischen. Ich kann mich nicht erinnern, sie je in einem zerknitterten Kleid gesehen zu haben, und als arroganter Egozentriker habe ich ihren Perfektionismus immer als Zeichen von Zuvorkommenheit gedeutet. Es gibt also keinen Grund, warum ich mein glückliches Leben infrage stellen sollte. Oder anders gesagt: Es gibt auf einmal so viele Gründe, aber das sind frisch angespitzte Bleistifte in einem neuen Etui. Anna stellt meiner Karriere und meinem Ehrgeiz nichts in den Weg. Sie hält sich abseits, regelt die kompliziertesten Dinge und kommt mir nie in die Quere. Ich will mich nicht bemitleiden, aber ich weiß nicht mehr, was ich für sie empfinde, weil ich alles, was uns verbindet, immer als selbstverständlich hingenommen habe. Anna vertraut mir ihr Glück an, und dieses besondere Gleichgewicht zwischen uns habe ich immer für ein starkes Bindemittel gehalten. Ich kann ihr einfach nicht von den Briefen und dem Postfach erzählen. Sie scheint so glücklich hier, auch wenn sie darüber klagt, dass sie ihre Freundinnen und die Nachmittage mit ihnen vermisst. Die ersten Monate nach unserer Ankunft hier hat sie damit verbracht, der Wohnung eine persönliche Note zu verpassen. Mittlerweile geht sie mit den Müttern aus Sarahs Klasse ins Ballett an der Metropolitan Opera, macht Jagd auf Outlet-Ware und stürzt sich wieder begeistert in die Kunstgeschichte, die sie seit ihrem Schulabschluss vernachlässigt hat. Vor allem aber sorgt sie für mich – sie ist der festen Überzeugung, dass ich jemanden brauche, der sich um meine Garderobe und mein soziales Leben kümmert. Es ist ein wenig, als würde Anna die Ehefrau spielen, so begeistert ist sie von ihrer Rolle. Das scheint ihr zu genügen, aber wahrscheinlich – oder sogar mit Sicherheit – habe ich ein sehr oberflächliches Bild von ihr.
Es ist jetzt vier Uhr morgens. Ich sitze am Wohnzimmertisch und schreibe Dir. Die Schlafzimmertür ist nur angelehnt. Keine
Ahnung, wie lange ich sie nun schon anschaue. Sie ist immer noch schön, wenn sie wehrlos und ungeschminkt ist. Diese Frau habe ich einmal geliebt. Neuer Absatz.
Noch einmal: Das alles soll nicht aufhören, und ich habe nicht den Mut, sie zu verletzen, indem ich ihr von Dir erzähle, von dem Glück, das mir die vier Buchstaben Deines Names schenken. Die schönen Tage in Belle-Île haben Anna nichts weggenommen, und auch nicht die Sicherheit und die Sehnsucht, mit der ich stundenlang am Flughafen auf Dich
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