Und immer wieder Liebe Roman
blonde Strähne zittern, die vorwitzig über ihrem Ohr hängt und die Symmetrie ihrer strengen Collegefrisur stört. Bald wird sie Feierabend machen, und ihre Kollegin wird nicht verstehen, warum ich so hartnäckig bin. Eine Gruppe Jugendlicher lagert am Boden und spielt Monopoly. Scheinbar ist es trotz Computerspielen immer noch aufregend, Plastikhäuser und Plastikhotels zu kaufen und der Badstraße, der Turmstraße und der Museumsstraße hinterherzujagen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich hier wegkomme, tendiert gegen null. Mademoiselle Air France nickt, dann nickt sie noch einmal, sie muss mit jemandem gesprochen haben, denn sie scheint zu begreifen. Oder sie hat einen Tick. Es ist sieben. Draußen ist es dunkel.
»Signora, Sie brauchen nicht länger zu warten, für heute Abend schließen wir«, sagt sie mit einem milden Lächeln in meine Richtung.
»Ich glaube, ich liebe ihn.«
»Wie bitte?«
»Ich muss nach Paris, Madame, ich muss. Ich muss einem Mann sagen, dass ich jetzt weiß, wie sehr ich ihn liebe.«
»Ich verstehe.« Sie seufzt. Künstlich.
»Ich werde also den ersten Flug nehmen, der zu egal welcher Uhrzeit an egal welchem Tag hier startet.«
»Morgen müsste sich die Situation bessern.«
»Schreiben Sie dann bitte mein Ticket um? Damit ich auch ganz sicher mitkomme?«
»Certainement, Madame, ich werde Ihre Bordkarte vorbereiten. Obwohl das eigentlich nicht erlaubt ist...«
Ich habe auf leeren Magen ein Bier getrunken, mein Mut ist der einer Löwin, und ab morgen werde ich, vielleicht, nicht mehr rauchen.
Der Flug AF 1913 landet am 12. April 2003 pünktlich am Flughafen Charles de Gaulle in Paris. Ich trage ein zweireihiges Mäntelchen mit Organzakragen, ein meliertes Schlauchkleid mit moosgrün besticktem Mieder, dazu schwarze Wollstrümpfe und Schnürschuhe mit Absatz sowie einen Topfhut. Ich möchte so leicht sein wie Organza und die gebührende Oberflächlichkeit empfinden, die einer aus Worten gezeugten Liebe entspricht.
Ist ein Liebesroman zwischen uns noch möglich?
Und dann sehe ich ihn. Mein persönliches Wunder ist gekommen. Ich habe immer geglaubt, dass man sich etwas nur ganz stark zu wünschen braucht – dass man sich von ganzem Herzen auf eine einzige Möglichkeit festlegen muss – und dass man dann nur noch zielstrebig voranzuschreiten braucht, und schon passieren die Wunder.
Wenn das geschriebene Wort mit dem übereinstimmt, was tatsächlich geschieht, entsteht der Zauber eines Romans.
Außerdem sind Worte, wie man weiß, geduldig und können warten.
Federico ist nur noch ein paar Meter von mir entfernt. Rasiert und also zum Küssen bereit. Er wirkt nicht wie die Endstation, sondern wie das Abfahrtgleis von etwas, das mit dem Wort »Liebe« zu tun hat. Die Augen unter seinen dichten Brauen sind tiefe Brunnen. Er läuft umher, selbstsicher, studiert aus der Höhe seiner ein Meter achtzig die Figuren, die ihm mit Rollkoffern entgegenkommen.
Sein Lächeln ist warm, strahlend und beinahe ein wenig anzüglich, als er mich entdeckt. Es bringt das Eis zum Schmelzen.
»Willkommen«, sagt er und wiegt mich an seinem Pullover. Keinen störenden Eifer legt er an den Tag, sondern die Ruhe dessen, der weiß und immer gewusst hat, dass es mehr braucht als einen Schneesturm, um uns voneinander fernzuhalten. Ich muss ihm nicht einmal dankbar dafür sein, dass er mir fünf Stunden Zugfahrt erspart. Mir kommen fast die Tränen. Ich hätte doch wissen müssen, dass er meine Gedanken kennt!
Wir durchqueren das Flughafengebäude; auch hier stehen die Reisenden an den Schaltern Schlange. Er macht große Schritte wie alle Menschen mit langen Beinen. Ich verzeihe ihm. An der Rezeption des Radisson Hotel begrüßen sie uns wie in der Werbung: Die Empfangsdame überreicht uns den kreditkartenähnlichen Schlüssel mit einer Geste, als hätte sie nur auf uns allein gewartet. Der Teppichboden ist geleckt wie das Fell einer getigerten Katze, und alle platzen vor Glück in diesem Meer aus frischen Blumen. Federico hat den Schlüssel zu einem der Zimmer dieses Bienenstocks. Ich war noch nie ein strategisch denkender Mensch und habe auch kein Bedürfnis danach. Es hat eher mit Vertrauen zu tun. In den Tiefen meines Herzens weiß ich genau, dass mir nichts anderes als das hier widerfahren kann.
Der Antiquitätenhändler schlägt sich spontan auf meine Seite. Er ist ein stilbewusster Schwuler, der mit zwanzig verheiratet und mit fünfundzwanzig wieder geschieden war und heute mit Gaston das
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