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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Einer der Taxifahrer hat aber bereits die Wagentür aufgerissen, als hätte er nur auf mich gewartet, auf diese gebeugte, jedoch keineswegs besiegte Gestalt inmitten des nassen Schneetreibens.
    Kann es eine rührendere Szene geben, als dieses sedierte, entgeisterte Mailand mit all seinen Autos, die jetzt im Schritttempo und mit ungeahnter Höflichkeit durch die Gegend rutschen? Niemandem ist es in den Sinn gekommen, Salz zu streuen. Der Taxifahrer fährt am Bahnhof vorbei, wo Schneeschipper in Neonjacken kleinen Kindern zulächeln, die mit Gummistiefeln im Schnee herumhüpfen.

    »Lassen Sie mich hier raus, bitte. Ich werde mich erkundigen, ob vielleicht Züge fahren.«
    Aber dann die große Ernüchterung: Stillgelegt, gestrichen, annuliert __ sämtliche Eurostars Richtung Norden und selbst die nach Süden. Das kann sich schnell ändern, sage ich mir und zwinge mich zu einem Cappuccino im Plastikbecher im Bahnhofscafé. Es ist fünf Uhr nachmittags.
    Dann gebe ich auf. Kehre nach Hause zurück. Pfeife auf meinen Stolz und rufe Alice an.
    »Sag jetzt nichts, sondern schau einfach ins Internet, ob du irgendetwas außer der Kriegsberichterstattung der Nachrichtenredaktionen findest.«
    »Oh, Emma, das tut mir ja so leid. In der Buchhandlung ist kein Mensch. Soll ich dich zurückrufen, oder möchtest du warten?«
    »Ich warte.«
    »Auf der Website von Air France steht, dass bis morgen früh um sechs voraussichtlich nichts ankommen oder abfliegen wird. Ab sieben könnten wieder Flüge starten, wenn das Wetter es erlaubt, aber es kann zu Verspätungen kommen. Soll ich dir eine Beauty Farm in der Nähe von Mailand heraussuchen?«
    »Nein danke, da rufe ich lieber Signora Elettra in Montegrotto an, die Thermen in den Euganeischen Hügeln sind auch bei Schnee ganz hervorragend. Die Nummer habe ich.«
    Ich werde trotzdem hinfahren. Ich werde das erste Flugzeug nehmen, das nach Paris fliegt. Um sechs, hat Alice gesagt. Ich werde da sein. Aus dem Radio kommen nur Nachrichten, die ich bereits kenne.
    »Für die Passagiere des Eurostar ist die Strecke Paris – Mailand zur reinsten Odyssee geworden«, sagt eine aufgeregte Reporterin. »Der Zug traf mit über sieben Stunden Verspätung in Mailand ein.«

    Passiert denn nichts anderes in der Welt, denke ich verzweifelt? Wo habt ihr die üblichen Raubüberfälle, Prozesse, Nachbarschaftsquerelen und politischen Auseinandersetzungen gelassen?
    »In einer Bar wurde ein Kunde von einer Mauer erschlagen, die dem Wind nicht standgehalten hat. Eine Autofahrerin konnte in letzter Sekunde einem umstürzenden Baum ausweichen. Dabei wurde sie jedoch von einem anderen Baum erschlagen.« Das nennt man Pech. Oder Schicksal. In den Liveübertragungen des Fernsehens schlagen sich die Journalisten wacker, obwohl ihnen der Sturm ins Gesicht bläst. So werden sie zwangsläufig zu Helden. Ich sehe Berichte aus ganz Europa: An der Mündung des Ärmelkanals ist ein britisches Containerschiff in Seenot geraten, den sechsundzwanzig Besatzungsmitgliedern in den Rettungsbooten wird von zwei Hubschraubern aus geholfen. Der TGV London – Paris – Brüssel verkehrt nicht mehr. In Paris hat die Stadt beschlossen, den Zugang zu Parks, Gärten und Friedhöfen zu untersagen, weil die Gefahr herunterbrechender Äste zu groß ist. In der Gegend um Birmingham und im Norden der britischen Inseln hat der Wind mittlerweile Geschwindigkeiten von einhundertfünfzig Stundenkilometern erreicht, und in den wenigen noch verkehrenden Flugzeugen haben sich dramatische Ereignisse abgespielt. Vor allem die Landung muss abenteuerlich gewesen sein: Personen fielen in Ohnmacht, schrien panisch, weinten, übergaben sich. Am Flughafen Charles de Gaulle wurden einhundertzehn Flüge gestrichen.
    Und Federico?
    »Die französischen Eisenbahngesellschaften haben alle Langstreckenzüge und die meisten Regionalverbindungen gestrichen. Ab 17 Uhr kam der Verkehr vollkommen zum Erliegen. Tausende von Passagieren wurden auf Busse verteilt.«

    Danke. Die können Gedanken lesen. Hat jemals jemand daran gedacht, einen Roman zu schreiben, in dem die Handlung vom Wetter bestimmt wird? Ich schlucke die Pille und schicke den Kräutermann zum Teufel. Bei brennenden Kerzen lasse ich mich in den weißen Badeschaum sinken. Ich räkele mich im Wasser und umklammere den Flaschenhals meines Ceres-Biers. Im Moment begehre ich nichts als den Autor des Klebezettelchens, das in dem Kästchen »Verschiedenes« in meiner Schreibtischschublade liegt.
    Bevor ich

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