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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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umgebaut. Wenn man denkt … Vor fünfzehn Jahren lebte ich mit Bianca noch in einer Hütte am Waldrand von Salmannsdorf! Kein Mensch wollte meine Bilder haben. Ich habe Kinderbücher illustriert. Davon lebten wir. Inzwischen haben Bianca und ich die ganze Welt besucht, dauernd waren wir auf Reisen, und von überall brachten wir etwas mit, Sie sehen ja …« Er wies auf eine Wand, die vollkommen mit afrikanischen Masken bedeckt war. »Kommen Sie in die gute Stube. Bianca hat ein paar Brötchen gemacht …«
    In der ›guten Stube‹ standen echte Biedermeiermöbel um einen liebevoll gedeckten Tisch. Hier hingen an den Wänden Bilder, auf denen sich Menschen bewegten, tanzten, pflügten, hämmerten oder sägten, wenn man eine Spieluhr aufzog – und prompt erklang ein Lied dazu.
    Die Tür öffnete sich, und Bianca Barry kam herein. Sie trug einen Sportrock und einen hochgeschlossenen Pullover, eine lange, dicke Korallenkette und einen Ring mit buntem Emailleschild darauf. Sie war nicht geschminkt, ihre Haut sehr hell, das Haar, sportlich kurz geschnitten, brünett, der Mund voll und rot, die Augen waren grau. Sie hatte die schlanke, schöne Gestalt einer jungen Frau. Auch sie war sogleich freundlich und herzlich. Die freie, ungezwungene Atmosphäre dieses Hauses und seiner Bewohner übertrug sich auf Irene und Manuel. Bald saßen sie an dem runden Tisch, knabberten Backwerk, aßen kleine Sandwiches und tranken Vermouth oder Campari-Soda. Roman Barry trank Wein und rauchte eine große, prächtige Savinelli-Pfeife.
    »Also los, Bianca«, sagte er. »Die Herrschaften warten.«
    Die Frau, die so jung aussah, neigte sich vor. »Gut. Fangen wir an. Ich bin dreiundvierzig …«
    »Nein!« rief Irene.
    »… und werde bald vierundvierzig sein. Mein Mann ist fünfundvierzig. Wir haben eine fünfzehnjährige Tochter, Barbara, die jetzt in der Schule ist. Wir sind seit neunzehn Jahren verheiratet. Und meine erste große Liebe war Heinz Steinfeld. Sie nehmen sich doch bitte, was Sie wollen – Brötchen, Getränke. Bei uns bedient sich jeder selber. Ja, Heinz …« Sie sah blinzelnd zu ihrem Mann. »Roman ist noch immer eifersüchtig auf Heinz.«
    »Keine Spur«, sagte Barry.
    »Jaja«, sagte Bianca. »Schon gut, mein Alter. Wenigstens haben wir keine Geheimnisse voreinander, was?«
    »Gott sei Dank«, sagte der Maler und trank einen mächtigen Schluck Wein.
    »Deshalb habe ich Sie hergebeten. Ich erzähle Ihnen, wie das damals passiert ist mit Heinz … Sechzehn war ich, du liebe Güte! Und er nur ein halbes Jahr älter als ich. Wir gingen schon zwei Jahre miteinander – so heißt das in Wien, Herr Aranda. Aber
wie
gingen wir miteinander! Mit welcher Unschuld! Ach, es war die unschuldigste Liebe der Welt, glaube ich …« Bianca schlug ein Bein über das andere, verschränkte die Finger vor einem Knie und lächelte. Sie sprach schnell und sicher. »Ich wohnte mit den Eltern drüben in Döbling, ganz in der Nähe der Hohen Warte. Da lag meine Schule, ein Mädchengymnasium. Und gleich nebenan – nur ein Zaun und ein paar Bäume standen dazwischen – lag die Staatsschule für Chemie, an der Heinz studierte.«
    »Lag? Sie liegt noch immer da«, sagte Irene.
    »Wiederaufgebaut, ganz neu, nach dem Krieg. Bomben fielen darauf, bei einem der letzten Luftangriffe. Sie war völlig zerstört. Unserm Lyzeum ist wie durch ein Wunder nichts geschehen. Noch ein Glas Campari, Fräulein Waldegg? Aber ja doch! Ich mache es Ihnen. Mit viel Soda, ich weiß … Aus unserm Klassenfenster konnte man direkt in das Laboratorium sehen, in dem Heinz arbeitete. Er hatte immer bis vier Uhr nachmittag Unterricht – weil sie doch täglich so viele Stunden praktisch im Labor arbeiten mußten. Unser Unterricht war spätestens um halb zwei zu Ende. Und dann, wenn Heinz sich im Labor aufhielt und nicht gerade Theorie im Hörsaal hatte, machten wir uns immer Zeichen von Fenster zu Fenster – heimlich und vorsichtig natürlich.«
    »Als Mischling durfte er offiziell keine Freundin haben – war das so?«
    »Ja, das war so. Außerdem …« Bianca stockte.
    »Sag es ruhig«, murmelte ihr Mann. Er trank eine Menge Wein, und er rauchte ununterbrochen.
    »Nun ja, da war noch ein anderer Junge, der mich verehrte, sehr verehrte. Von ihm wollte ich aber nichts wissen. Der Junge hieß … Peter Haber«, sagte Bianca, wieder lächelnd. »Furchtbar eifersüchtig, der Peter Haber, und wütend, weil ich eben mit Heinz ging. Haber spionierte uns nach. Wir

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