Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Schwein von einem Masochisten!«
    »Was kommt noch dazu?«
    »Na, Ihr
Vater!
Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Sehen Sie, ich schrieb schon, ihr Vater sei auch bei mir gewesen, in diesem Zimmer saß er.«
    »Wann? Wie oft?«
    »Viermal. Immer, wenn ich frei hatte. Das letzte Mal zwei Tage vor seinem Tod.«
    »Wo haben Sie sich kennengelernt?«
    »Im ›Ritz‹.«
    »Was?« Manuel sah sie ungläubig an.
    »Ja doch! Eines Abends – ich hatte gerade Dienstschluß und wollte heim – gab mir Madame einen Brief für Ihren Vater mit und bat mich, noch beim ›Ritz‹ vorbeizufahren.«
    »Was war das für ein Brief?«
    »Keine Ahnung. Ich sah nur, daß Madame ihn von diesem Amerikaner erhielt. Grant heißt er.«
    »Ich kenne ihn. Der Stimme nach wenigstens. Ich habe einmal mit ihm telefoniert.«
    »Also von dem bekam sie den Brief. Sie tuschelten miteinander, die beiden – und dieser Russe, Santarin.«
    »Der ist mir auch ein Begriff. Aber warum sollten gerade Sie den Brief befördern?«
    »Madame sagte, die Herren wünschten es so. Es sei eilig, und ich sei der unauffälligste Kurier. Da muß irgendein Geschäft im Gange gewesen sein, zwischen dem Amerikaner und dem Russen und Ihrem Vater.«
    »Ja, es scheint so.«
    »Ihr Vater ist
nie
hinausgekommen in die Villa! Ich weiß nicht, wo er sich mit den beiden Männern traf. Jedenfalls traf
ich
ihn im ›Ritz‹.« Yvonne lächelte. »Wir tranken etwas in der Bar und plauderten. Als er hörte, daß ich den nächsten Tag frei hätte, da fragte er, ob er mich besuchen dürfe.« Yvonne bemerkte Manuels Blick. »Er hat nie versucht … ich habe nie … wir haben nie zusammen geschlafen, das schwöre ich! Er hatte mich einfach gern. Und ich ihn auch. Er war ein interessanter Mensch. Und großzügiger als alle diese Kerle zusammen!« sagte Yvonne und sah betrübt aus. »Furchtbare Angst hatte er.«
    Manuel wiederholte verblüfft: »
Angst?
Wovor?«
    »Ermordet zu werden«, sagte Yvonne Werra.

31
    »Das hat er Ihnen gesagt?« Manuel war aufgesprungen.
    »Ja. Noch im ›Ritz‹. Flüsternd. Bevor er mich fragte, ob er mich besuchen dürfe. Er hat mir leid getan. Überhaupt keine Nerven mehr, Ihr Vater! Schreckhaft. Überreizt. Richtig … unter … unter Terror. Natürlich, sagte ich, dürfe er mich besuchen. Bei mir wurde er dann langsam ruhiger, gelöster, einmal sogar richtig fröhlich … Ich habe versucht, ihn abzulenken, auf andere Gedanken zu bringen, wissen Sie. Er muß sehr schwere Sorgen gehabt haben. Und dauernd diese Angst vor dem Tod.«
    Manuel trat dicht an die Couch.
    »Hat er gesagt, vor
wem
er sich fürchtet?«
    »Nein. Nie. Ich habe ihn einmal gefragt. Er schüttelte nur den Kopf. Darüber könne er nicht sprechen. Aber er glaubte, daß er Wien nicht lebend verlassen würde. Das sagte er mehrmals.«
    »Und Sie haben nichts unternommen?«
    »Was hätte ich unternehmen sollen?«
    »Die Polizei benachrichtigen!«
    Yvonne Werra hob eine Hand.
    »Ich habe niemanden benachrichtigt. Erstens hat er mich darum gebeten, keinem Menschen etwas von seiner Angst zu erzählen. Und dann …« Sie zögerte.
    »Ja? Und dann?«
    Yvonne sagte: »Sehen Sie, ich habe mit so vielen eigenartigen Männern zu tun. Ihr Vater war normal. Aber vielleicht doch nicht
ganz,
sagte ich mir. Vielleicht war das mit der Todesangst
sein
Tick. Dachte ich. Ich Idiotenweib! Ach, aber ich hätte ihn doch auch nicht retten können, wenn ich zur Polizei gelaufen wäre … oder?«
    »Ich glaube nicht. Machen Sie sich keine Vorwürfe.« Manuel trat an ein Fenster. Tief unter ihm lag, breit, grau und schmutzig, der Strom. Träge floß er dahin. Bei der großen Hängebrücke gab es Kais. An ihnen lagen Schleppkähne vertäut. Autos und Menschen auf der Brücke waren winzig klein. Es schneite nicht an diesem Tag, die Sicht war klar. Manuel erblickte entfernt, im Norden, den Kahlenberg und den Leopoldsberg mit seiner buckeligen Nase. Nahe der Donau stand ein mächtiger Turm. Er trug, wie Manuel sah, hoch oben ein Rundrestaurant, das sich langsam drehte.
    »Angst, ermordet zu werden«, sagte Manuel, gegen das Fenster.
    »Ja, das wollte ich Ihnen erzählen. Vielleicht hilft es Ihnen. Sie versuchen doch herauszufinden, was geschah, nicht wahr?«
    »Das tue ich.«
    »Nun, eines steht fest: Ihr Vater rechnete mit einem Anschlag auf sein Leben.« Yvonne sprach reines Hochdeutsch, ohne jeden Akzent. »Er fürchtete ihn. Und als es dann passierte, kann es nicht unerwartet für ihn gekommen sein.«
    »Aber

Weitere Kostenlose Bücher