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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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dachte er. Schufte und Dummköpfe. Wenn ich es erlebe, gehe ich in irgendein Nest an der Côte d’Azur. Ein Fischerdorf. Ich liebe die Riviera.
    De Brakeleer murmelte: »Siebenstellig … Das ist ja Irrsinn! Soweit ich weiß, kommt überhaupt nur ein einziger Mann in Frage, der einen solchen Tresor schafft …«
    »Na, wunderbar!«
    »… aber dieser Mann hat sich vor vier Jahren zur Ruhe gesetzt. Er ist nicht mehr im Milieu. Er arbeitet nicht mehr. Ein Deutscher. Lebt in Bremen. Reicher Mann.«
    »Man ist nie reich genug. Er wird eben noch einmal arbeiten. Für viel, sehr viel Geld. Sie werden ihn überzeugen. Appellieren Sie an seinen künstlerischen Ehrgeiz! Tun Sie, was Sie für richtig halten. In drei Tagen spätestens muß dieser Mann seine Bereitschaft erklären, sonst …«
    »Hören Sie doch endlich auf, mir zu drohen! Glauben Sie, ich werde jetzt
nicht
tun, was ich nur kann? Mein Gott! Und alles nur, weil ich …« De Brakeleer brach ab und stützte den schweren Kopf in die Patschhände. Er war sehr unglücklich. Endlich hob er den Kopf wieder. »So, wie Sie sich das vorstellen, geht das nicht, Monsieur! Dieser Spezialist muß wissen, um was für einen Tresor es sich handelt, bevor er seinen Plan entwirft, bevor er sich an die Arbeit macht. Das ist schwieriger als eine Gehirnoperation …«
    »Ich weiß.«
    »Der Spezialist muß die Type des Tresors kennen, die Herstellerfirma, wegen der Eigenheiten jeder einzelnen Firma, er muß wissen, wie der Tresor steht, ob er eingebaut ist, welche Warnanlagen er besitzt, in welcher Straße und in welchem Haus und in welchem Stockwerk die Anwaltskanzlei liegt … er braucht Details …«
    »Darum fahren Sie jetzt schon zu ihm. Ihr Mann soll Ihnen genau sagen, was er wissen muß. Ich werde ihm die Informationen beschaffen, die er benötigt, Fotos, Lagepläne, alles«, sagte Mercier und dachte, heute ist Sonntagabend. Wenn der Inspektor Schäfer morgen das Inserat im ›Kurier‹ aufgibt, das wir ihm vorgeschrieben haben, dann erscheint es übermorgen. Und am Mittwoch können wir schon mit Schäfer einig sein. Mercier war davon überzeugt, daß der Inspektor die Adresse des Anwalts, zu dem er das Manuskript getragen hatte, verraten würde – gegen viel Geld natürlich. Mercier hatte sich von den Bonzen Vollmachten geben lassen. Daß Schäfer das Manuskript befördert hatte, wußte Mercier dank eines Mannes, den er im Sicherheitsbüro ständig bezahlte. Der Mann kostete wenig, er war ein kleiner Beamter, der nie viel meldete. Nur diesmal eben hatte er von Schäfers Botengang erfahren und sein Wissen Mercier noch am Donnerstagabend mitgeteilt. Man konnte die Menschen entweder erpressen oder bezahlen. Eines von beidem ging immer. Daran glaubte Mercier fest. Die sich nicht erpressen ließen, weil es kein Material gegen sie gab, ließen sich bezahlen. Alle. Ausnahmslos. Es kam nur auf den Preis an. Was für ein Glück, dachte Mercier, daß Schäfers Frau Multiple Sklerose hat und ihm das Geld für das Sanatorium ausgeht. Er sagte: »Sie sprechen mit Ihrem Spezialisten. Sie überzeugen ihn.«
    »Aber wenn ich das nicht kann …«, jammerte De Brakeleer.
    »Das wäre böse für Sie. Sie müssen sich Mühe geben, mein Bester. Dann werden Sie es schon können. Sie kehren nach Wien zurück und erhalten alle benötigten Informationen. Danach fliegen Sie noch einmal zu Ihrem Genie. Und wenn er alles weiß, was er wissen muß, kommt er sofort her …«

39
    Es war wärmer geworden gegen Abend, und nun schneite es wieder heftig in dicken, weichen Flocken. Der Wind hatte sich gelegt. Die Stadt versank weiter und weiter in Schnee. Das Fehlen des gewöhnlichen Verkehrslärms an diesem Sonntag ließ, im Verein mit dem unendlichen Fallen der Flocken, eine riesige, unwirkliche Stille entstehen, so, als sei diese Stadt fast gänzlich ausgestorben, eine gewaltige Ansammlung von Häusern, Hütten, Gebäuden, Palästen, Kirchen und Lichtern, die allein deshalb hinter den Fenstern brannten, weil die Menschen durch den Tod überrascht und daran gehindert worden waren, sie zu löschen.
    Der Weinhauer Ernst Seelenmacher hatte sechs Gäste in seinem kleinen Heurigen. Er trug einen grau-grünen Lodenanzug und ein weißes, am Hals offenes Hemd, wie immer. Er saß an dem Tischchen mit der Zither, und er spielte langsame, traurige Weisen. Er sang nicht an diesem Abend. Sein von Wind und Regen gegerbtes Gesicht trug einen entrückten Ausdruck. Er war mit den Gedanken weit fort. Sein Freund,

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