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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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»Das ist ein schönes Lied.«
    Er winkte das hübsche Mädchen im Dirndl herbei.»Der Herr wünschen?«
    »Dieses Lied, das Herr Seelenmacher spielt – ich habe es schon einmal hier gehört.«
    Das Mädchen sagte: »Er spielt es oft, der Herr Chef. Es ist gar keine Heurigenmusik. Aber sein Lieblingslied. Von Bach, glaube ich.«
    »Würden Sie ihn fragen, ob er es für uns auch singen will?«
    »Gerne.« Das Mädchen ging zu Seelenmacher und sprach mit ihm. Der Weinhauer nickte herüber, zupfte ein paar Übergangsakkorde und begann die zarte, wehmütige Melodie von neuem. Nun sang er, leise und mit tiefer Stimme: »Willst du dein Herz mir schenken, so fang es heimlich an – daß unser beider Denken niemand erraten kann …«
    Manuel und Irene saßen ganz still. Sie sahen sich nicht an.
    Seelenmacher sang die zweite Strophe: »Die Liebe muß bei beiden allzeit verschwiegen sein. Drum schließ die größten Freuden in deinem Herzen ein …«
    »Die größten Freuden«, sagte Manuel. Er starrte auf die Holzplatte des Tisches. »Die größten Freuden …«
    »Es wird vorübergehen«, sagte Irene. »Alles geht vorüber. Als Valerie tot war, da dachte ich, die Welt müßte zu Ende sein. Sie ist es nicht.«
    Er hob den Kopf.
    »Das Geheimnis wurde verraten. Amerikaner und Russen kennen es. Genügt das nicht?«
    »Sie werden dafür sorgen, daß es nicht auch noch andere Länder kennenlernen. Sie werden …«
    »Jajaja«, sagte er verzweifelt. »Ich werde! Ich werde! Und was erreiche ich damit? Natürlich muß ich es tun. Sofort. Schnellstens. Der Staat muß mir helfen dabei. Er wird mir helfen. Mein Land kann es nicht riskieren, in einen Weltskandal verwickelt zu werden. Aber mein Vater war nicht allein! Die Männer in diesem geheimen Werk – ich ahne noch nicht einmal, wo es ist –, die mit ihm arbeiteten … so etwas ist immer Teamarbeit … Alle diese Männer wissen Bescheid. Was macht man mit
ihnen?
Kann man sie töten, damit sie auch bestimmt schweigen? Kann man sie einsperren für den Rest ihres Lebens? Man kann es nicht! Wie viele von ihnen haben wohl auch schon verraten, was sie wissen?« Er sah völlig hilflos aus. »Ich bin zu jung, Irene … zu jung für all das, was passiert … Ich bin allein … ich weiß nicht, was nun werden soll … Ich weiß nur, daß ich nach Hause muß, um zu versuchen, noch Schlimmeres zu verhindern, als mein gottverfluchter Vater schon angerichtet hat …«
    Er sah aus wie ein Schüler in diesem Moment, und Irene hatte Angst, daß er in Tränen ausbrechen würde. Seine Unterlippe zitterte. Er hielt das Glas mit beiden Händen, als er trank. Auch die Hände zitterten.
    Irene sagte: »Dieser Cayetano wird Ihnen helfen.«
    »Und wenn nicht? Wenn er mit meinem Vater unter einer Decke gesteckt hat?«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Warum hat Ihr Vater seine Geschäfte in Wien abgewickelt?« Er starrte sie an, das Glas noch in den Händen.
    »Ja, das ist richtig …«
    Sie sprach schnell weiter: »Warum hat er es nicht von Buenos Aires aus erledigt? Nein! Heimlich und mit allen Vorsichtsmaßnahmen hat er es
hier
getan. Das muß doch einen Grund haben. Und vielleicht ist der Grund der, daß Cayetano eben nichts davon ahnte …«
    »Ja, das wäre möglich. Möglich wäre es …«
    »Vielleicht war Ihr Vater der einzige, der über alles Bescheid wußte. Vielleicht … Ich meine, Sie sagten doch selber, das sei immer eine Teamarbeit … Die Mitarbeiter, die Ihr Vater hatte, die kennen vielleicht jeder nur
ihr
Gebiet des Projekts … ein kleines Teilgebiet …«
    Er wurde lebhaft.
    »Dann muß ich erst recht schnellstens heim!«
    »Aber Ihre Sicherheit!« Irene schrak auf. Der Gedanke war ihr plötzlich gekommen. »Wie wollen Sie sich schützen?«
    »Das Material bleibt bei dem Anwalt.«
    »Sie können ihn doch nicht täglich von drüben anrufen – in alle Ewigkeit!«
    »Ich werde ihm vor meinem Abflug mitteilen, daß ich nicht mehr anrufe. Wenn mir etwas passiert, wird er davon erfahren. Dann ist es immer noch Zeit, das Material der Öffentlichkeit zu übergeben.«
    »Und wenn er es
nicht
erfährt?« Nun war Irenes Stimme unruhig. »Wenn Ihnen etwas zustößt drüben … und es wird vertuscht … so geschickt, daß man hier glaubt, es ginge Ihnen gut …«
    »Der Hofrat Groll meint, das ist unmöglich, weil ich mich sofort mit den Behörden in Verbindung setzen werde. Ich bleibe ja auch deshalb noch hier bis morgen nacht: Sobald Cayetano da ist, gehe

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