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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Betrachtung aller Lebensumstände eine Erklärung findet …«
    »Ja!« Manuel richtete sich auf. »Ja! Ja! Und ich muß sie finden, diese Erklärung, auf alle Fälle! Ich fliege heim. Es wird sich doch jetzt, wo ich das alles weiß, in Buenos Aires etwas finden lassen … Ich muß zurück!«

38
    »Kikeriki! Verflucht! Aber es muß doch einmal gehen! Mach weiter! Fester!«
    Nackt kauerte die rothaarige Yvonne auf dem Bett. Mit Hand und Mund bemühte sie sich, Herrn Willem de Brakeleer, der rosig, massig, gleichfalls nackt und mit einem Büschel prächtiger Paradiesvogelfedern im Hintern vor ihr stand und zornig aufstampfte, zu helfen.
    »Gaaa–gagagagagaga – gaaa!« ließ sich Yvonne, heftigst beschäftigt, vernehmen. Gleich darauf fragte sie: »Was ist bloß, Burschi? Hast mich denn gar nicht lieb?«
    »Kikeriki!« schrie de Brakeleer. Jetzt hatte er Tränen in den Augen, die Video-Recorder-Aufzeichnung zeigte es ganz deutlich. Nora Hills Hausfernsehanlage funktionierte ausgezeichnet. Der Holländer trampelte vor Wut, Yvonne saugte und streichelte und kniff – es war alles vergebens. Das letzte Bild verschwand von der Filmleinwand, die sofort darauf blendend hell wurde. Jean Mercier schaltete den Vorführapparat ab und das Deckenlicht in dem fensterlosen Hinterzimmer des luxuriösen Reisebüros ›Bon Voyage‹ ein. Der Franzose schlief kaum noch. Er hatte einen mächtigen Rüffel von seinen Vorgesetzten erhalten, die er beständig verfluchte. Was konnte er dafür, daß alles so schiefgelaufen war, daß diese Valerie Steinfeld den Doktor Raphaelo Aranda vergiftete, bevor man geschäftseinig wurde? Der Doktor hatte einen unverschämt hohen Betrag gefordert. Der war von Merciers Vorgesetzten abgelehnt worden. Drücken, befahlen sie Mercier, drücken! Mercier hatte versucht, die offensichtliche Panik, in welcher der Argentinier lebte, auszunützen, um ihn zu drücken.
    Es wäre mir auch gelungen, dachte Mercier immer wieder bitter. Aber da griff diese Steinfeld ein. Und jetzt bin ich schuld an allem. Sollen sich meine Bonzen doch bei Santarin und Grant beschweren, daß die ihnen die Tour vermasselt haben! Ich habe getan, was möglich war. Schon im eigensten Interesse.
    Im eigensten Interesse hatte Jean Mercier seit 1940 getan, was möglich war. Damals nahmen sich die Deutschen des jüngsten Majors im ›Deuxième Bureau‹, den sie verhaftet hatten, an. Sie mußten ihn nur drei Tage foltern, dann hatten sie einen ergebenen neuen Mitarbeiter gewonnen, der in den folgenden Jahren Landsleute verriet, Verschwörungen aufdeckte und Resistance-Ringe sprengen half. Mercier war ein getreuer Diener der Deutschen. Er mußte immer an die drei Tage im Keller denken, und er besaß eine Frau, die er sehr liebte.
    Für das, was er getan hatte, wurde er 1945 wieder verhaftet und gefoltert, von Franzosen diesmal. Seine Frau erschossen ein paar Patrioten in ihrer Küche. Mercier wurde nicht erschossen. Er war ein zu wertvoller Mann. Und er konnte Schmerzen nicht ertragen. So wurde er Agent für Frankreich – auf Zeit, vierundzwanzig Jahre nun schon war er das, eingesetzt an den verschiedensten Orten, zuletzt in Wien. Wenn er noch fünf Jahre gut arbeitete, hatte er Anspruch auf eine kleine Pension und konnte sich zur Ruhe setzen. Wenn er nicht gut arbeitete, würde er das Leben verlieren – sehr qualvoll, das sagten sie ihm immer wieder …
    Es war lange Zeit sehr still in dem Hinterzimmer. Außer Mercier und De Brakeleer befanden sich hier noch zwei stämmige, schweigsame Franzosen, die an einer Wand lehnten und Zigaretten rauchten. Mercier hatte sie zu dieser Besprechung hinzugebeten. Man konnte nie wissen, was ein Mann in seiner Aufregung anstellte.
    Willem de Brakeleer stellte gar nichts an.
    Er saß da wie ein sehr toter Riesenfisch mit blondem Haar. Sein Mündchen stand kreisrund offen. Die Augen waren aus den Höhlen getreten, die rosigen Patschhände lagen gleich Flossenenden auf den dicken Knien. Er trug einen Anzug, der ihm zu klein war und sich über der mächtigen Figur spannte.
    Eine Uhr neben der Leinwand zeigte die Zeit: 18 Uhr 43.
    Der Holländer verzog das Gesicht plötzlich. Er sagte – französisch – voller Selbstmitleid: »Nie, nie, nie hätte ich gedacht, daß Madame Hill sich zu einer solchen Gemeinheit hergibt.«
    »Oh!« Mercier winkte ab. »Da sind Sie aber in einem großen Irrtum befangen, Monsieur. Madame Hill hat mit diesem Film nicht das Geringste zu tun. Sie weiß nichts von ihm. Sie

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