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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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bevorzugte.
    Am Kopf dieses Papieres, das Gedeih oder Verderb, Leben oder Tod, Glück oder Leid bescherte in jenen Jahren, stand groß und massig das Wort
    Ahnentafel
    »Dieser Pavel Matic, dein zweiter Urgroßvater mütterlicherseits«, dozierte Valerie, auf eine Urkunde klopfend, »hat deine zweite Urgroßmutter mütterlicherseits am 25. September 1772 geheiratet. Steht hier auf dem Geburtsschein deiner
Großmutter
mütterlicherseits. Geheiratet in Prag. In der alten Carl-Borromäus-Kirche. In dieser Kirche ist dein Urgroßvater auch
getauft
worden. Steht auch noch hier. Wann, steht nicht hier.«
    »Na ja, na und?« fragte Landau irritiert. »Werden wir eben an diese Carl-Borromäus-Kirche in Prag schreiben und um einen Taufschein von meinem Urgroßvater bitten!«
    »Und ihn nicht bekommen«, sagte Valerie.
    »Wie?«
    Sie sah ihn unruhig an.
    »Was hast du denn? Nun rede schon!«
    »Martin, sei mir nicht böse … Ich hätte nicht davon gesprochen … Du weißt, ich erzähle dir nie etwas …«
    »Ich verstehe kein Wort.«
    Sie blickte zu dem Radioapparat.
    » BBC ?« fragte er, auffahrend.
    Sie nickte.
    »Was haben die gemeldet?«
    »Ich weiß es einfach so, ja?«
    »Vom Londoner Rundfunk!«
    »Ich weiß es, hör schon auf! Du mußt es dir leider anhören. Du erinnerst dich doch noch daran, wie die Tschechen den Heydrich umgebracht haben, nicht?«
    Er nickte.
    Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei des SD , stellvertretender Chef der Gestapo, dieser achtunddreißigjährige, langnasige, eiskalt blickende Erfinder der ›Endlösung‹, hatte sich, unermüdlich mehr und mehr Macht an sich raffend, zum amtierenden ›Reichsprotektor für Böhmen und Mähren‹ machen lassen. Am Vormittag des 29. Mai 1942 fuhr er im offenen Wagen von seinem Landsitz nach Prag zum Hradschin, seinem Amtssitz. Eine Bombe wurde in den Wagen geworfen. Die Täter waren zwei Angehörige der Freien Tschechischen Armee in England, Jan Kubis und Josef Gabcik, die ein RAF -Flugzeug ins Land gebracht hatte und die mit dem Fallschirm abgesprungen waren. Unterstützt wurden die beiden von der tschechischen Widerstandsbewegung.
    Heydrich starb am 4. Juni. Die Deutschen nahmen furchtbare Rache. Am meisten hatten Juden zu leiden, von denen man viele Tausende sofort in Vernichtungslagern umbrachte. Umgebracht wurden, nach einem Gestapobericht, auf der Stelle auch 1331 Tschechen, darunter 201 Frauen. Das nahe Prag gelegene Dorf Lidice erlangte Weltberühmtheit: Die Deutschen erschossen alle männlichen Bewohner, trennten Frauen und Kinder, verschleppten diese, steckten jene in Lager und machten Lidice buchstäblich dem Erdboden gleich.
    Die Attentäter Kubis und Gabcik wurden von Mitgliedern der Untergrundbewegung in Sicherheit gebracht. Priester der Carl-Borromäus-Kirche in Prag versteckten sie. Daraufhin belagerte die SS die alte Kirche, ebenso das Pfarrhaus nebenan, und die Attentäter sowie 120 Männer der Widerstandsbewegung, die gleichfalls in der Kirche waren, wurden ausnahmslos getötet.
    »… die SS legte Brand und verwüstete die Kirche und vor allem das Pfarrhaus. Da verbrannte fast alles. Ganz sicherlich existieren die alten Taufbücher nicht mehr«, erzählte Valerie stockend.
    Martin Landau sprach lange Zeit kein Wort.
    Endlich flüsterte er: »Diese Schweine … diese verfluchten Schweine … Also
nicht
an die Kirche schreiben?«
    Lebhaft antwortete Valerie: »Aber ja doch!
Natürlich
an die Kirche schreiben! Das war eine Aktion, die geheimgehalten wurde. Wenn wir, in Wien, davon wissen, dann wird man sagen, die wissen davon durch den Londoner Rundfunk.«
    »Welchen Sinn hat es aber dann …«
    »Unsere Sicherheit! Wir müssen uns ganz dumm stellen!« Valerie seufzte. »Ich habe dir ja gesagt, mit diesem Pavel Matic werden wir noch unser Kreuz haben. Ganz dumm stellen und zuerst an die Carl-Borromäus-Kirche schreiben. Die werden antworten, sie können uns nicht helfen. Vielleicht hatten sie die alten Taufbücher irgendwo verlagert. Das wäre Glück! Sonst müssen wir versuchen, herauszufinden, wo dieser Pavel Matic gestorben ist und wann und wer den Sterbeschein ausgestellt hat. Auf dem Sterbeschein muß das Datum und der Ort der Taufe angegeben sein …«
    Landau ließ sich in den Schaukelstuhl sinken und fluchte laut.
    »Hör auf«, Valerie. »Es geht nicht anders. Und wir schaffen es schon.« Sie drückte seine Hand. »Wirst sehen, in ein paar Wochen haben wir alles, was wir brauchen.«
    Valerie irrte sich.
    Noch

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