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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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anderen Männer wie aus weiter Ferne reden, während er verloren und einsam Cayetano betrachtete, der eifrig und energisch diskutierte. Von Verträgen war die Rede, von Vollmachten, von den verschiedensten Dokumenten, welche die beiden Anwälte am nächsten Tag, gemeinsam mit der Rechtsabteilung der Botschaft, vorbereiten wollten und die Manuel dann unterschreiben mußte.
    »… bis morgen abend alles vorbereitet haben, Herr Aranda«, klang endlich, nun wieder deutlich, die Stimme des Syndikus an sein Ohr.
    Ich traue Cayetano, ja, ich traue ihm, dachte Manuel.
    »Gut«, sagte er. »Dann will ich die Papiere morgen abend durchlesen und gleich, oder übermorgen, unterschreiben …«
    Bald danach brach die Gesellschaft auf. Die Verabschiedung war höflich-frostig.
    In das ›Ritz‹ zurückgekehrt, zog Manuel Juan Cayetano zur Seite.
    »Wollen Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Gerne, natürlich. Was gibt es?«
    »Sagen Sie es auch den Anwälten, zur Sicherheit. Wenn morgen jemand nach mir fragt, bin ich in der Botschaft. Das hinterlasse ich im Hotel. Wenn Sie angesprochen werden sollten, es ist unwahrscheinlich, aber es könnte sein …«
    »Sie denken an diese junge Dame, Irene Waldegg?«
    »Ja.« Manuel nickte. »Besonders an sie. Ihr müssen Sie auch sagen, ich sei in der Botschaft. Es wird bis spät abends dauern.«
    »Was?«
    »Meine Reise. Ich muß morgen verreisen, nach Villach, und Irene Wäldegg darf das nicht wissen.«

72
    »Du bist sicher?«
    »Ganz sicher. Mir ist andauernd schlecht. Zum drittenmal ist meine Periode ausgeblieben. Meine Brüste werden größer und härter. Und Schwindelanfälle habe ich auch schon. Ein zweites Kind, Martha! Ich habe eine Todesangst vor diesem zweiten Kind! Ich
darf
es nicht haben!«
    »Aber es gibt bestimmt keinen Arzt, der dir helfen würde. Die müssen sich jetzt doch an ganz strenge Vorschriften halten!«
    »Das weiß ich.«
    »Hast du jemand davon erzählt – der Agnes meine ich, oder diesem Martin Landau?«
    »Kein Wort. Ich bin auch heute zu dir gefahren, am Sonntag, damit Martin nicht mißtrauisch wird. Agnes und Heinz habe ich gesagt, du hättest etwas mit mir zu besprechen …«
    Dieser Dialog zwischen Valerie Steinfeld und ihrer Schwester Martha Waldegg fand am Nachmittag des 17. Juni 1938 im Wohnzimmer der kleinen, kaisergelb gestrichenen Villa an der Fliederstraße in Villach statt. Hinter dem Haus lag ein großer, verwilderter Garten mit Obstbäumen und vielen Blumen, die bunt leuchtend blühten. Sommer, tiefer Sommer ruhte über dem Land, die Sonne brannte, an den Horizonten flimmerte die Luft über den dunklen Bergwäldern, von denen die Stadt umgeben war. Das Haus, um die Jahrhundertwende gebaut, hatte Marthas Mann, der Berufsoffizier Hans Waldegg, von seinen Eltern geerbt. Der Major Waldegg war bald nach dem ›Anschluß‹ Österreichs als Kommandeur einer Einheit in eine Garnison bei Berlin versetzt worden, seine Frau seit zwei Monaten allein.
    Die Villa befand sich im Westen der Stadt, nahe den berühmten Heilquellen von Warmbad Villach. Schon den Römern war die gesundmachende Kraft der heißen Sprudel, die hier aus der Erde schossen, bekannt gewesen.
    Das Waldeggsche Haus lag sehr abgeschieden, die Fliederstraße war still, kaum jemals fuhr dort ein Auto, die nächsten Villen standen entfernt. Eine Frau kam in der Woche während des Tages, um Martha zu helfen. Heute, am Sonntag, hatte sie frei. Martha und Valerie waren allein. Die Schwestern, beide zierlich gewachsen, sahen sich außerordentlich ähnlich. Beide hatten leuchtend blondes Haar, blaue Augen und eine helle, schöne Haut. Martha war zwei Jahre jünger als Valerie.
    Die Fenster des Wohnzimmers standen offen. Bienen summten draußen im Gras. Eine Lokomotive pfiff, lange und klagend. Nördlich verlief eine Eisenbahnlinie.
    »Lieber Gott im Himmel«, sagte Martha leise. Sie starrte die Schwester unentwegt an.
    »Es geht nicht«, sagte Valerie. »
Es geht nicht, Martha!
Vor zwei Wochen habe ich Heinz die Dokumente für den Ariernachweis geben müssen – sein Klassenlehrer hat gedrängt und gedrängt. Ich mußte dem Buben sagen, daß Paul Jude ist – und er also ein Mischling. Du weißt, was ich daraufhin mitgemacht habe …«
    »Du hast es mir geschrieben.«
    »Aufgeführt wie ein Wahnsinniger hat sich der Bub! Schrecklich! Ganz furchtbar war das! Geheult und geschrien hat er! Angespuckt hat er mich! Denn ich, ich bin doch an allem schuld in seinen Augen, nicht wahr? Und vor zwei Tagen

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