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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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klar, und es sind Sterne da …«
    »Ja, Heinz … Dann werden wir dieselben Sterne sehen und aneinander denken …«
    »Und wenn nur Wolken da sind, sehen wir dieselben Wolken.«
    »Lieber Himmel, liebe Wolken, liebe Sterne, lieber Heinz …«
    Sie umarmten und küßten einander noch einmal lange. Dann hastete Bianca fort, und Heinz wandte sein schwer bepacktes Fahrrad und schob es nach der anderen Richtung durch die Arkaden. Jetzt mußte er sich beeilen! Er sauste wie ein Rennfahrer über die abendlich verdunkelten Straßen zu dem Kino im Neunten Bezirk. Er schaffte es rechtzeitig wie immer. Der Vorführer in seiner Kabine nahm ihm die Kartons ab.
    »Warte ein paar Minuten, dann geb ich dir die nächsten zwei Rollen. Die eine ist noch nicht ganz abgelaufen.« Aus dem Kinosaal klangen die Stimmen von Schauspielern. Der linke Vorführapparat arbeitete summend. In die rechte Maschine legte der ältere Mann einen neuen Akt ein.
    Heinz setzte sich auf eine kleine Bank und öffnete das Päckchen, das Bianca ihm geschenkt hatte. Ein grauer, dicker Wollschal mit Fransen, ein paar dicke, graue Wollhandschuhe lagen darin, ein Tannenzweig und ein Kuvert. Heinz riß es auf, nahm den Briefbogen heraus und las: ›Mein Liebster! Du bist doch immer nachts unterwegs, und da ist es so kalt. Darum bekommst Du diese Geschenke. Ich habe sie selber gestrickt – heimlich, zu Hause, vor dem Einschlafen. Der Schal war ja leicht, aber die Finger der Handschuhe! Dazu habe ich schon meine ganze Liebe gebraucht. Fröhliche Weihnachten, geliebter Heinz, Deine treue Bianca.‹ Und darunter: › P . S . In großer Sehnsucht.‹
    Zu dieser Zeit saß Bianca Heizler in einem Saal des alten Palais an der Herrengasse. Drei Dutzend Mädchen saßen um sie herum. Vorn, an der Stirnseite des Saals, vor einer herabhängenden Hakenkreuzfahne und einer Hitlerbüste aus Gips, stand ein älteres Mädchen auf einem Podest und deklamierte voller Begeisterung ein Gedicht aus einem ledergebundenen Band: »Mein Führer, sieh, wir wissen um die Stunden, in denen du hart an der Bürde trägst – in denen du auf unsre tiefen Wunden die liebevollen Vaterhände legst und noch nicht weißt: wie wirst du uns gesunden …« Bianca saß seitlich. Vorsichtig und langsam öffnete sie das kleine Päckchen, das Heinz ihr gegeben hatte. Eine Schachtel lag darin. Bianca hob den Deckel ab. In gelbe Watte gebettet erblickte sie einen Silberring, der eine Emailleplatte trug wie einen flachen Stein. Die Platte zeigte eine phantastisch gezeichnete Schmelze in Rot, Grün, Weiß, Gelb, Schwarz, Blau und Lila.
    Eine kleine Karte lag in der Schachtel. Bianca las, vorgeneigt, was Heinz dazugeschrieben hatte, während die Leiterin des Kurses weiter die Hymne an den Führer vortrug: »… darum ist unsere Liebe auch so groß, darum bist, Führer, du der Anfang und das Ende …«
    ›Meine geliebte Bianca! Diesen Ring haben wir doch vor ein paar Monaten in dem Geschäft gesehen, und er hat Dir so gefallen. Also habe ich ihn damals schon angezahlt und jetzt endlich abgestottert …‹
    Wo hatte er das Geld her? überlegte Bianca. Ach, er wird es sich zusammengespart haben von seinem lächerlichen Lohn …
    »… wir glauben dir, treu und bedingungslos …«, trompetete die BDM -Führerin vorne, unter der Fahne.
    ›… Heb den Ring auf, versteck ihn, ich weiß, jetzt kannst Du ihn höchstens tragen, wenn wir uns treffen. Aber noch etwas Geduld, nur noch etwas Geduld, und Du wirst ihn immer tragen können, solange Du mich so liebst wie Dich Dein Heinz.‹
    »… und unser Werk des Geistes und der Hände ist die Gestaltung unseres Dankes bloß!« endete die BDM -Führerin.
    Mit einem Lächeln schob Bianca Heizler den Ring auf einen Finger der linken Hand …

18
    »… und ich trage ihn noch immer, das ist er«, sagte Bianca Barry, 27 Jahre später, während sie ihre linke Hand hochhielt. Manuel wandte kurz den Blick von der Straße, über welche der Schnee wehte, Irene betrachtete den Ring länger.
    Manuel bemerkte, daß die Straße schmäler wurde. Häuser tauchten auf, der Eingang einer Ortschaft. Ein Schild: FISCHAMEND . Eine Brücke über einen zugefrorenen Bach. Gleich dahinter ein Tor durch einen hohen Turm mit Zinnen und Fenstern und einer Haubenkuppel.
    »Jetzt sind wir gleich da«, sagte Bianca. Manuel hatte das Tor passiert.
    »Halten Sie da drüben.«
    Sie befanden sich auf einem großen, langgestreckten Platz, der von niedrigen Häusern gesäumt wurde. Die

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