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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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»Schmutzige, gierige Schweine. Das sind die Menschen, so wie ich sie kennengelernt habe. Dabei schließe ich mich selbst natürlich ein. Nebst Vater und Mutter.«
    »Auch Ihre Eltern …«
    »Und ob! Ich bin nicht von hier, das werden Sie schon an meiner Aussprache gemerkt haben, junger Mann. Ich wurde in Essen geboren. 1915.«
    »1915? Aber dann sind Sie ja …«
    »Vierundfünfzig. Ich habe mich gut gehalten, ich weiß. Mein Vater war aktiver Offizier, meine Mutter Tänzerin in einem Varieté. Sie trieb es mit jedem. Bis dieser Leutnant kam. Sie liebte ihn – äh! Er schwängerte sie. Versprach, sie zu heiraten. Zu seiner grenzenlosen Erleichterung brach gleich darauf der Erste Weltkrieg aus, und er verschwand für immer. Mich brachte mein braves Mütterlein, kaum daß ich richtig auf der Welt war, zu Bauern. Ich störte sie, nun, da sie wieder weiterhuren wollte. Als ich fünf war, sagten mir die Bauersleute, daß sie gestorben war. Mit einer schlichten Lues hatte sie sich ins Krankenhaus gelegt. Eine Lungenentzündung machte sie fertig. Als meine Pflegeeltern mir erzählten, die liebe Mami sei nun im Himmel, bekam ich einen Lachkrampf. Nein«, sagte Nora Hill, »niemals traf ich bis zu dieser Stunde einen Menschen, den ich lieben könnte, verehren könnte, von dem ich mir wünschen könnte, so zu sein wie er.« Ihre Stimme wurde leise. »Mit einer einzigen Ausnahme. Jemand ist da, den ich auch in dieser Stunde noch bewundere von ganzem Herzen, den ich verehre, zu dem ich aufblicke. Jemand, so, wie ich sein möchte und niemals sein werde.«
    »Und wie heißt dieser Mensch?«
    »Dieser Mensch«, sagte Nora Hill, »hieß Valerie Steinfeld.«
    Die schöne Villenbesitzerin saß in einem chintzüberzogenen Sessel vor dem großen offenen Kamin, der sich in der Mitte eines antik eingerichteten Wohnraums befand. Er gehörte, wie Manuel festgestellt hatte, zu einem raffiniert gebauten großen Appartement mit Schlafzimmer, Umkleidezimmer, Badezimmer und Balkon. Es gab eine kleine Bar im Wohnraum, Bücherwände mit eingebautem Plattenspieler und Fernsehapparat.
    Über dem etwas erhöhten Kamin befand sich eine gewaltige Esse, die allen Rauch einfing. Dicke Holzscheite waren von dem Athleten im Smoking, den Nora Hill Georg rief und der die Funktionen eines Dieners, Vertrauten und Chefs des Etablissements in ihrer Abwesenheit einzunehmen schien, übereinandergeschichtet worden. Das Feuer prasselte. Vorhänge bedeckten die großen Fenster. Zweige naher Bäume des Parks schleiften an ihnen, klopften gegen sie. Georg hatte einen Silberthermos mit Eiswürfeln, Gläsern, Siphonflaschen und eine Flasche Whisky serviert. Die Leichtmetallkrücken lagen rechts und links neben Nora im Sessel. Sie rauchte eine Zigarette, die in einer langen Silberspitze steckte. Ganz leise nur klangen von unten Gelächter und Musik, Stimmen und Rufe herauf. Es war ein sehr solide gebautes Haus. Nora Hill hatte es, nicht ohne Stolz, Manuel beim Heraufkommen ein wenig vorgeführt …
    Die Steinbalustrade im ersten Stock – auf ihr lag noch das Seil, mit dem Yvonne gefesselt worden war – verlief gleichfalls kreisrund. Das Haus hatte einen gewaltigen Durchmesser.
    »Ich zeige Ihnen ein paar der Zimmer«, sagte Nora Hill, eilig, energisch, ohne ein Zeichen von Scham vor Manuel auf ihren Krücken entlangschwingend. An den Wänden, zwischen Türen, erblickte Manuel große und kostbare Reproduktionen der neunundvierzig Stellungen des Pietro Aretino, gemalt von Giulio Romano. Über den Türen waren, wie in einem Hotel, halbkugelförmige kleine Milchglaslampen angebracht. Schnell und eilig öffnete Nora Hill einen Raum nach dem anderen. Was Manuel Aranda sah, verblüffte ihn durch Schönheit, Monstrosität oder Geschmack.
    »Jedes Zimmer ist anders eingerichtet. Wir haben auch einen Swimming-pool und ein Kino – unten. Die Zimmer kosteten mich ein Vermögen. Sehen Sie, hier zum Beispiel, das chinesische …«
    Es gab – die Führung ging weiter – auch ein in französischem Rokoko eingerichtetes Zimmer mit galanten Kupferstichen aus der Zeit. Es gab ein indisches, ein griechisches und ein Harems-Zimmer. Ein Raum war einer Klosterzelle nachgebildet, ein anderer einer Kerkerzelle, einer völlig in Schwarz gehalten. Manuel sah eine mittelalterliche Folterkammer samt Inventar und Stichen aus den Büchern des Marquis de Sade. Ein Zimmer hatte Spiegelwände und eine spiegelnde Decke. An zwei Türen schwang sich Nora Hill eilig vorüber. Die kleinen

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