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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Nora Hills Stimme, »wenn Sie kommen und das wissen, was ich Ihnen heute abend berichten will, werden die Herrschaften reden, alle, verlassen Sie sich darauf.«
    »Und das wird Zeit und Zeit kosten«, murrte Grant. »Falls Aranda jetzt etwas zustößt …«
    »Ich habe Jean Mercier herbestellt.«
    »Hierher?«
Grant fuhr auf.
    »Ja. Er kommt erst später. In einer Stunde etwa. Ich sagte ihm, daß wir nun zusammenhalten müssen, so grotesk das ist.«
    »Erst wenn Sie die ganze Geschichte von mir erfahren und bei allen anderen Menschen nachgeprüft haben, werde ich einen Wunsch äußern«, erklärte Nora Hills dunkle Stimme. »Natürlich denken Sie an das B-Projekt, aber ich …«
    »An was für ein Projekt?«
    »Da!«
Fedor Santarin, der mit einer Puppe spielte, richtete sich auf. »Ich verstehe nicht«, erklang Nora Hills Stimme.
    »B-Projekt – was ist das?«
    »Keine Ahnung.«
    »Aber Sie sagten es doch eben!«
    »Sie müssen sich verhört haben, junger Freund.«
    »Bestimmt nicht! Und ich verstehe nicht …«
    »Sie
haben
sich verhört. B-Projekt? Was soll das heißen?«
    »Das weiß
ich
doch nicht!«
    »Ach, nun lassen Sie das schon. Das ist ja albern!«
    »Verzeihung. Was … was sagten Sie denn wirklich?«
    »Keine Ahnung. Sie haben mich ganz nervös gemacht.«
    »Ist sie nicht großartig!« Santarin strahlte. »Wie sie ihm das unterjubelt! Und er
hat
keine Ahnung! Das bedeutet, es ist so, wie ich sagte: Er hat uns belogen, er besitzt keinen Code-Schlüssel.«
    »Vielleicht blufft er«, grunzte Grant.
    »Nie! Das war echt! Er blufft, ja, indem er lügt. Den Mercier soll er ruhig bluffen. Der soll ruhig glauben, Aranda besitzt den Schlüssel. Ich habe es nie geglaubt. Sie zweifelten. Darum habe ich Nora gebeten, die Probe zu machen. Sind Sie jetzt überzeugt?«
    »Ja«, sagte Grant.
    »Was für eine Frau!« schwärmte Santarin.
    »Was für ein Jammer, daß eine solche Frau ein Krüppel sein muß.« Grant seufzte sentimental.
    »Jammer? Ein Glück! Es gibt nichts Klügeres als körperlich Deformierte«, sagte Santarin.
    »Und was ist das für ein Wunsch?« fragte Manuels Stimme.

31
    »Nicht einmal ein Wunsch, eine Bitte«, antwortete Nora Hill. »Unsere Gläser sind leer. Machen Sie zwei neue Drinks, seien Sie so nett, ja?«
    Er nickte.
    »Und diese Bitte«, sagte sie, während er die schweren Whiskygläser füllte, »müssen Sie nicht einmal erfüllen. Sie können sie abschlagen.« Ich hoffe, das Mikrophon da oben an der Esse funktioniert wirklich, und Santarin und Grant hören alles, dachte sie. Was ich hier tue, ist von ihren höchsten Vorgesetzten in Washington und Moskau gutgeheißen worden. Santarin hatte die Idee. Er ist der Gerissenere von diesen beiden elenden Schweinen, die mich da erpressen. Was kann ich tun? Nichts. Nur das, was sie verlangen. Mord verjährt in Österreich erst nach zwanzig Jahren. Manuel schwieg und drehte sein Glas in den Händen. Wieder hörte er aus der Tiefe Stimmen und Musik.
    »Wollen Sie meine Geschichte hören? Wollen Sie meinen Vorschlag akzeptieren?« fragte Nora Hill.
    »Ja«, sagte Manuel. »Ich will hören, was Sie zu erzählen haben, wenn ich mit meiner Entscheidung, ob ich Ihnen am Ende die Bitte erfülle oder nicht, wirklich frei bin.«
    »Einverstanden.«
    Manuel fragte hastig: »Wann hat Valerie Steinfeld die Zyankali-Kapseln von Ihnen erhalten?«
    Nora Hill führte die silberne Zigarettenspitze an den Mund und blies langsam Rauchringe aus.
    »Vor sechsundzwanzig Jahren«, antwortete sie danach.

32
    Am Montag, dem 4. Oktober 1942, kurz nach neun Uhr vormittags, betrat Nora Hill, vom Neuen Markt und dem Opernring her kommend, das obere Ende der stillen Seilergasse. Es war ein kalter, düsterer Tag, an dem es nicht richtig hell wurde. Nora Hill, eben aus dem Süden eingetroffen, fror, obwohl sie über einem maisfarbenen Wollkleid mit schwarzem Wildledergürtel einen Baby-Leopardenmantel und einen schwarzen Turban auf dem Kopf trug. Die Füße der schönen Beine steckten in italienischen Schuhen aus schwarzem Wildleder mit Keilabsätzen, eine schwarze Krokodillederhandtasche hing am rechten Unterarm. In der Tasche lag die Pistole, die Jack Cardiff ihr gegeben hatte. Am 24. Mai war Nora Hill siebenundzwanzig Jahre alt geworden.
    Ihr Gang wirkte provozierend erotisch. Durch heftiges Make-up sah sie wie eine Ausländerin aus. (›Die deutsche Frau schminkt sich nicht!‹ predigte unablässig die Propaganda der Partei.) Nora Hill hatte sehr große, dunkle Augen mit

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