Und keiner wird dich kennen
Natürlich wird sein völlig eingestaubter BMW nach drei Jahren Standzeit nicht mehr anspringen, er versucht es gar nicht erst, sondern hängt die Autobatterie erst mal ans Ladegerät.
Damals, nach dem Urteil, hat er den Wagen abgemeldet, und er hat nicht die Absicht, ihn wieder zuzulassen. Er hat noch eine Auswahl an falschen Nummernschildern, die ihm Milan besorgt hat, und entscheidet sich schließlich, ein Frankfurter Kennzeichen zu montieren. Bis sich die Batterie wieder gefüllt hat, ist genug Zeit, ein paar wichtige Anrufe zu erledigen. Als Erstes macht er Frank zur Schnecke, weil er in den letzten drei Jahren nichts getan hat, dabei sollte er Lila ordentlich Angst einjagen und die Polizei auf eine falsche Spur führen. Dann telefoniert er mit seinen anderen Kumpels, am längsten davon mit Milan. Ein wirklich guter Freund, einer, der seine Liebe versteht und ernst nimmt.
Robert Barsch macht sich daran, seinen Koffer zu packen. Noch heute Abend wird er in Offenbach sein. Bald wird er Lila wiedersehen, bald, sehr bald! Ob sie noch sauer ist wegen der Katze damals? Hoffentlich nicht.
Aber auch wenn Lila versucht, ihm aus dem Weg zu gehen – die wahre Liebe wird stärker sein!
Der Mann vom Zeugen- und Opferschutzprogramm hat sich ihnen gegenüber nur als »Andreas« vorgestellt. Außer seinem Vornamen und seiner Mobilnummer wissen sie nichts über ihn. Sie sitzen um den Küchentisch herum, und mit ruhigem, abschätzendem Blick hört Andreas sich an, was sie zu erzählen haben. Hin und wieder nickt er. Maja fragt sich, was er über sie alle denkt.
»Normalerweise ist es kaum möglich, dass eine ganze Familie untertaucht«, sagt er schließlich. »Besonders für Kinder ist es furchtbar schwer, dichtzuhalten.« Er schaut Elias an, der gerade gelangweilt auf seinem Küchenstuhl hin und her kippelt. »Was meinst du, schaffst du das, das Geheimnis nicht zu verraten? Dass du früher einen anderen Namen hattest?«
»Ja, klar!« Elias klingt etwas gekränkt. »Ich weiß doch, dass es gefährlich ist, wenn andere das wissen.«
»Gut.« Der Mann lächelt kurz, dann wendet er sich an sie. »Was ist mit dir, Maja?«
»Ich kann auch dichthalten.« Maja ist froh, dass sie sich schon wieder etwas erholt hat und nicht mehr bei jeder Gelegenheit weinen muss. Ein heulendes Wrack hätte wohl nicht den richtigen Eindruck gemacht.
»Wir haben die Papiere in ein paar Wochen so weit«, berichtet Andreas. »Bis dahin haben wir auch eine Wohnung gefunden für euch drei, an einem ganz anderen Ort.«
»Können wir uns den Ort aussuchen?«, fragt Lila, und fast gleichzeitig platzt Maja heraus: »In ein paar Wochen erst?« Sollen sie etwa so lange hierbleiben? Heute war Elias kurz draußen im Garten, und sofort hat Frau Singerl ihn ermahnt, den Schnee nicht so zu zertrampeln, sonst würde das Gras im Frühjahr nicht wachsen. Was für ein Blödsinn!
»So was dauert leider, es gibt eine Menge vorzubereiten«, entschuldigt sich Andreas und erklärt kurz, dass sie den Ort aussuchen werden – zu klein darf er zum Beispiel aus Sicherheitsgründen nicht sein, und es ist auch wichtig, dass keine Verwandten von ihnen in der Nähe wohnen. Dann wechselt er ganz plötzlich das Thema. »Hat jemand von Ihnen Tattoos?«
»Äh, ja – ich«, erwidert Lila.
»Zeigen Sie mal.«
Zögernd zieht Lila ihren Pullover aus, darunter trägt sie ein T-Shirt. Das Tattoo ist auf der linken Schulter: ein Pegasus, der Maja immer gefallen hat. Kein fliegender, sondern ein nach unten blickender, nachdenklicher. Aber er hat seine Schwingen ausgebreitet, er kann losfliegen, wenn er den Mut dazu findet ...
»Der ist leider sehr ungewöhnlich«, sagt Andreas. »Unbedingt entfernen lassen.«
Lila presst die Lippen zusammen; Maja weiß, dass sie an diesem Tattoo hängt.
Als Nächstes sollen sie Auskunft über ihre Hobbys geben und verdutzt zählen sie nacheinander ihre Freizeitbeschäftigungen auf. Lila stöbert gerne auf Flohmärkten, schwimmt und schreibt gerne, Maja experimentiert, liest viel, fährt hin und wieder Einrad und spielt Gitarre. Den Blog, den sie gehostet hat, lässt sie gleich weg, der ist leider Vergangenheit. Elias lernt gerade Flöte und bastelt wie ein Wilder.
»Das ist alles okay«, urteilt Andreas. »Manchmal ist es leider notwendig, die Hobbys zu wechseln. Wer zum Beispiel bisher Leistungssport gemacht hat, muss damit aufhören, denn in den Ranglisten von Meisterschaften ist er natürlich sehr einfach aufzuspüren, auch mit einem neuen
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