Und keiner wird dich kennen
summt, rasch drückt er sie auf. Der Typ hat nicht mal nach seinem Namen gefragt. Sekunden später steht Lorenzo vor Majas Haustür und umklammert die Dietriche in seiner Tasche. Es ist schon ewig her, dass er die beim Detektivspielen benutzt hat. Alte Schlösser bekommt man damit ganz gut auf, aber so fertig das Haus auch aussieht, das Schloss an dieser Tür wirkt fast neu. Aufgeben? Nein. Er muss es wenigstens versuchen. Vielleicht findet er drinnen den Hinweis, auf den er gehofft hat, den Anhaltspunkt, den er braucht, um Maja wiederzufinden.
Lorenzo zieht die Dietriche hervor und macht sich ans Werk.
Im Auto ist es zwar nicht sonderlich warm, doch Robert Barsch ist gut vorbereitet, er hat seinen dicksten Pulli und eine Daunenjacke angezogen. So lässt sich das Wachehalten vor dem Haus gut ertragen. In der Thermoskanne ist sogar noch ein Rest warmer Pfefferminztee. Schon seit drei Stunden beobachtet er das Haus, an dem er das Klingelschild Köttnitz entdeckt hat. Sein Nachtsichtgerät, das er sich vor ein paar Jahren mal gekauft hat, enthüllt alle Details des Hauses und seiner Umgebung. Lila scheint weg zu sein, anscheinend will sie ihn nicht sehen. Das ist eine furchtbare Enttäuschung. Wieso nur hat er aus dem Gefängnis bei ihr angerufen? Es wäre so viel klüger gewesen, sie zu überraschen, dann hätte sie vielleicht endlich, endlich mit ihm gesprochen und begriffen, wie sehr er sie liebt!
Interessiert beobachtet er den jungen Mann, der vorhin mit dem Rad eingetroffen ist. Was hat der vor? Er wirkt unsicher, zögerlich. Scheint nicht im Haus zu wohnen. Aber jetzt ist er anscheinend drinnen, Robert Barsch sieht Licht im Treppenhaus. Ist das womöglich jemand, der ebenfalls nach der Familie Köttnitz sucht? Mal schauen. Robert Barsch steigt aus und schließt die Fahrertür vorsichtig hinter sich.
Lorenzo zuckt zusammen, als er jemanden unten an der Tür hört. Dann wieder der Türsummer, Schritte, das Flurlicht geht an. O Mann – was jetzt? Instinktiv will er die Dietriche in seiner Tasche verschwinden lassen, aber das klappt nicht, sie haben sich im Schloss verhakt! Verzweifelt zerrt er an ihnen, während die Schritte näher kommen. Scheißdinger!
Im letzten Moment dreht sich Lorenzo um und lehnt sich gegen die Tür, jetzt verdeckt sein Rücken, dass die Metallteile immer noch verräterisch im Schloss stecken. Er versucht, ganz locker zu wirken und ein bisschen gelangweilt, so als warte er auf jemanden, der noch immer nicht aufgekreuzt ist.
Nun kann er sehen, wer da die Treppe hochkommt. Ein schlanker Mann ungefähr Anfang vierzig. Glatte braune Haare im Seitenscheitel. Er ist gekleidet wie ein Geschäftsmann, aber sein schmales Gesicht erinnert Lorenzo an irgendeinen alten Western. Kevin Costner in der Prärie.
Hoffentlich will er in ein höheres Stockwerk. Los, geh schon vorbei! , betet Lorenzo.
Aber natürlich wirkt es nicht.
Eindringlinge
Der Fremde verlangsamt seine Schritte und nimmt Lorenzo ins Visier. Kühle graue Augen hat er. »Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie hier machen?«
Großer Gott. Das wird gerade zum Worst-case-Szenario!
»Ich warte auf jemanden«, behauptet Lorenzo mit aller Dreistigkeit, die er jetzt noch aufbringen kann. Immerhin, es stimmt, er wartet auf Maja, oder etwa nicht?
»Auf wen?«
»Geht Sie das was an?«, gibt Lorenzo trotzig zurück. Der Typ ist ihm ungefähr so sympathisch wie ein Fisch, der seit einer Woche tot ist.
»Kann man so sagen«, meint der Mann.
»Und warum?«
»Darf ich mich vorstellen?«, sagt der Mann in kühlem, ironischem Ton. »Robert Meinert, Kriminalhauptkommissar. Und jetzt treten Sie bitte mal einen Schritt beiseite!«
Lorenzos Eingeweide fühlen sich an, als würden sie sich gerade verflüssigen. Schweigend folgt er dem Befehl. Er weiß, wann er verloren hat.
Maja radelt durch die kahle, schweigende Stadt. Im Licht der Straßenlaternen sieht sie Flocken vom Himmel schweben, aber kein einziger Stern glänzt auf sie herab. Die Angst sitzt ihr im Nacken, verlässt sie keinen Moment lang. Klar, es ist unwahrscheinlich, doch was ist, wenn sie jetzt zufällig Robert Barsch über den Weg läuft? Immer wieder sieht sie sich um. Niemand ist hinter ihr, kein Mensch folgt ihr.
Völlig durchgefroren kommt sie an dem Haus an, in dem Lorenzo wohnt, doch die Hoffnung wärmt sie, strömt fiebrig heiß durch ihre Adern. Sie merkt kaum, dass ein Lächeln auf ihr Gesicht kriecht. Lorenzo! Ihr wunderbarer karottenhaariger Italiener. Gleich kann
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