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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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langsam wird ihm dieser Kerl doch noch sympathisch.
    Jetzt ist es der Beamte, der in seinen Taschen kramt; schließlich zieht er einen Zettel und einen Stift hervor. »Ich gebe Ihnen meine Nummer – rufen Sie mich bitte an, wenn Sie irgendwelche Hinweise finden. Wir tun unser Bestes, der Familie zu helfen, und wenn Sie uns unterstützen, dann haben wir vielleicht eine Chance.«
    »Okay. Mach ich.« Lorenzo nimmt den Zettel, steckt ihn ein und wundert sich dabei kurz, warum der Typ keine Visitenkarte hat. Aber schließlich ist es spätnachts, und er ist nicht in Uniform, sondern in Zivil; vielleicht hat er vergessen, welche einzustecken.
    »Und jetzt ab mit dir.« Der Mann deutet mit dem Kinn auf die Treppe.
    Lorenzo zögert, wirft einen kurzen Blick auf die feststeckenden Dietriche. Tja, die müssen wohl hierbleiben. Haben ihm eh kein Glück gebracht. Nichts wie weg hier.
    Auf dem Weg nach unten nimmt der Junge zwei Stufen auf einmal. Einen Moment blickt Robert Barsch ihm noch nach, dann erlaubt er sich ein Lächeln. Das war ja wirklich ein Volltreffer.
    Irgendwie imponiert ihm, was der Junge sich getraut hat. Dazu gehört schon eine ordentliche Portion Frechheit. Vielleicht hätte er es sogar geschafft, das Schloss zu knacken, wenn er nicht unterbrochen worden wäre. Er selbst hat so was als Jugendlicher auch gemacht, ein paar Jahre lang ist er unzählige Male in verlassene Gebäude eingedrungen. Sie zu durchstreifen und nach Spuren der früheren Bewohner zu durchsuchen, war spannender als alles andere. Seine Eltern haben nie etwas davon erfahren, es hätte sie sowieso nicht interessiert.
    Als Robert das Zuklappen der Eingangstür hört, überprüft er kurz, ob ihn jemand aus der Wohnung nebenan durch den Türspion beobachtet. Nein. Alles okay. Rasch streift er sich dünne Latexhandschuhe über, entfernt die Metallhaken aus dem Türschloss – diese Dietriche taugen nichts! – und macht sich daran, das Ding selbst zu knacken. Zwei Minuten später ist die Tür offen. Meine persönliche Fundgrube, denkt Robert vergnügt, tritt ein und schließt sorgsam die Tür hinter sich.

Drei Dinge
    Das Telefon düdelt und hört gar nicht mehr auf, das nervt, wieso nimmt keiner ab? Und irgendjemand weint. Mühsam zieht Maja die Augenlider hoch, ihr Körper scheint aus Blei zu bestehen. Sie blickt sich verwirrt um, muss erst einmal begreifen, an welchem Ort sie hier ist. Ach so, bei Frau Singerl. Aber wo ist Elias? Nur der Abdruck seines Kopfes auf dem Kissen verrät, dass er neben ihr gelegen hat.
    Noch immer klingelt das Telefon, warum nimmt nicht endlich jemand ab? Und woher kommt das Weinen? Jetzt hört Maja von irgendwo her auch noch aufgebrachte Stimmen. Shit, hat das etwas mit ihrem nächtlichen Ausflug zu tun? Hat Frau Singerl gemerkt, dass jemand ihr Fahrrad benutzt hat?
    Alarmiert schiebt sie sich aus dem Bett, tappt mit bloßen Füßen über das kühle Parkett und die Treppe hinunter. Die Stimmen werden lauter, sie scheinen aus der Küche zu kommen. Maja öffnet die Tür und starrt geschockt auf das Bild, das sich ihr bietet. Elias kniet heulend auf dem Boden und versucht, mit einem Lappen irgendetwas aufzuwischen – sieht nach Milch aus –, während sich Frau Singerl und Lila anschreien.
    »... und Sie anscheinend gar nichts von Kindern verstehen«, ruft Lila gerade und versucht, Elias am Arm hochzuziehen. »All diese Glasscherben, daran hätte er sich die Finger aufschlitzen können!«
    »Wenn jemand etwas angestellt hat, dann sollte er auch versuchen, es wiedergutzumachen!«, gibt Frau Singerl zurück, ihre ungekämmten Haare sehen aus wie ein dreckiges Vogelnest. »Das sind allgemeine Grundsätze der Erziehung, aber wem sage ich das, Sie sind ja offensichtlich eine dieser Mütter, die ...«
    »Komm, Elias«, faucht Lila, und jetzt endlich lässt sich Elias von der Pfütze wegziehen, in der Maja inzwischen die Scherben einer Milchflasche aufragen sieht. Wütend marschiert Lila mit Elias die Treppe hoch und Maja tappt ratlos hinterher. Was war das jetzt? Der Super-GAU? Fliegen sie jetzt raus, nur weil Elias anscheinend eine Flasche Milch hat fallen lassen?
    Elias’ Hose ist an den Knien feucht und seine Socken tropfen auch, Lila zieht sie ihm im Bad aus. Besorgt sieht Maja, dass ihre Finger zittern. »Es hat keinen Sinn, wir können hier nicht länger bleiben«, sagt ihre Mutter und umarmt Elias, bis sein Weinen zu einem leisen Schniefen geworden ist. »Wir packen unsere Sachen. Jetzt gleich.«
    Maja nickt

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