Und keiner wird dich kennen
und habe die Party dann auch ziemlich aufgemischt.«
»Wie denn?«, fragt Maja neugierig.
»Erst hab ich eine Flasche Korn in die Bowle gemischt, sodass alle ziemlich breit waren«, erzählt Stella, ihre Augen funkeln vergnügt. »Dann hab ich ein paar Wollsocken in einer Konservendose angezündet, damit es verbrannt roch und unsere Rauchmelder angesprungen sind – die haben einen echt fiesen Sirenenton. Als ich dann noch ›Feuer‹ geschrien habe, sind alle in Panik nach draußen in den Regen geflüchtet, und ich konnte mich in Ruhe am Buffet bedienen.«
Maja muss lachen. »Wie lange haben sie nicht mit dir geredet?«
Beiläufig pflückt Stella eine E-Gitarre vom Ständer in der Zimmerecke und beginnt darauf zu spielen – fast lautlos, ohne angeschlossenen Verstärker. »So circa eine Woche. Es war richtig erholsam. Ganze sieben Tage lang keine blöden Sprüche. Und du, wie kommst du daheim klar?«
»Ganz gut eigentlich, außer wenn mein Bruder Flöte übt, davon bekommt man Ohrenkrebs«, erzählt Maja. »Dafür muss ... musste ... er meine Gitarreübungen ertragen.«
»Wieso musste?«, hakt Stella nach. »Hast du aufgehört?«
Oje, wie soll sie das jetzt erklären? Ich habe meine Gitarre in der letzten Wohnung zurückgelassen, sie war zu unhandlich und hat mir nicht genug bedeutet, um sie auf unserer Flucht mitzunehmen? »Im Moment habe ich keine eigene Gitarre«, sagt Maja schließlich und hofft, dass Stella nicht weiter nachfragt. Zum Glück sagt sie nur: »Ach so.«
Sie fachsimpeln noch eine Weile über Musik und dabei sieht sich Maja weiter in Stellas Zimmer um. An der Wand hängen zwei große Poster mit ziemlich psychedelisch aussehenden Bildern, wahrscheinlich von Salvador Dalí. Eins davon erkennt Maja, sie hatte es früher als Postkarte – das mit den schmelzenden Uhren, die labbrig über irgendeiner Kante hängen. Ein kleineres Bild ist an der Decke befestigt, direkt über dem Bett: ein einzelnes Auge, das über einer leeren, in Grün-Blau gehaltenen Landschaft schwebt. »Na, ich glaube, davon bekäme ich Albträume«, meint Maja.
»Wieso? Das Ding wacht über mich und passt auf, dass niemand meine Gedanken stiehlt«, behauptet Stella.
Im Regal steht eine Acrylbox mit klobigen Silberringen, die mit verschiedenen Halbedelsteinen besetzt sind. Amethyst, Falkenauge, Jade, Mondstein, Malachit. Schön sind sie, und ziemlich auffallend. »Die sind so ein bisschen dein Markenzeichen, was?«, meint Maja. Ob ihr Betreuer Andreas ihr verboten hätte, solchen Schmuck zu tragen, weil man sie daran wiedererkennen könnte?
»Die meisten habe ich selbst geschmiedet«, erzählt Stella stolz. »Ich habe schon ein paar Kurse gemacht und jedes Mal bekomme ich einen Ring fertig. Mühsame Sache, aber lustig. Vielleicht werde ich Goldschmiedin.«
»Und, was machst du noch gerne?«, fragt Maja neugierig.
»Zum Beispiel Easy Rider spielen«, meint Stella.
»Wie geht das denn? Meinst du Motorradfahren?«
Stella schüttelt grinsend den Kopf. »Wenn du magst, nehme ich dich mal mit. Vielleicht macht’s dir auch Spaß.«
»Okay.« Maja kann sich nicht wirklich vorstellen, was genau Stella vorhat, aber vermutlich wird es cool. Wird mir guttun. Einfach Spaß haben und Quatsch machen, das ist jetzt das Richtige. Sie will leben , verdammt noch mal, ihr neues Leben fängt gerade erst an!
Es ist wieder spät, als sie heimkommt, doch so wie Maja geahnt hat, arbeitet ihre Mutter noch immer. Ihr scheint das zweite Leben bisher nicht sonderlich gut zu bekommen. Gebeugt sitzt sie an ihrem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt, während der Moderator im Radio fröhlich vor sich hin plappert.
»Was ist?«, fragt Maja alarmiert.
Ganz plötzlich explodiert ihre Mutter, springt auf und packt die Ausdrucke, die neben ihr liegen. »Es taugt alles nichts! Ich fange jetzt noch mal von vorne an, weg mit dem Mist!« Sie pfeffert den Seitenstapel in den Mülleimer.
Erschrocken sieht Maja zu. »Spinnst du? Du hast doch schon so lange daran gearbeitet! Und jetzt schmeißt du alles weg?« Sie rettet das Manuskript aus dem Müll und klappt den Laptop zu, bevor Lila auf die Idee kommt, die Datei zu löschen. »Du kannst das bestimmt überarbeiten. Komm, jetzt geh erst mal ins Bett, vielleicht siehst du morgen alles ganz anders.«
Und tatsächlich, erschöpft gehorcht ihre Mutter. »Vielleicht hast du recht«, murmelt sie. »Gute Nacht, Alissa.«
Alissa . Inzwischen fühlt sie sich angesprochen, wenn jemand sie so
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