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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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was läuft. Als Kriminalbeamter, Morse...»
    «Ich informiere mich über den
Rundfunk...»
    «! Seit dreißig
Jahren sagt jeder vernünftige Mensch nur noch
    Morse nickte unbestimmt, aber
Strange fuhr schon fort: «Bloß gut, dass ich das hier mitgebracht habe.»
    Morse hätte ihn gern darauf
hingewiesen, dass auch aufmerksame Times -Leser durchaus in den Geruch
einer gewissen Rückständigkeit kommen konnten, hielt dann aber doch lieber den
Mund und las langsam und konzentriert den fotokopierten Artikel, den Strange
ihm in die Hand gedrückt hatte. Morse las immer langsam.
     
    Morddezernat sucht anonymen
Anrufer
     
    Ein
anonymer Anrufer lieferte der Polizei Informationen, welche zur Ergreifung des
Mörders von Mrs. Yvonne Harrison führen könnten, die vor einem Jahr mit
Handschellen gefesselt tot aufgefunden worden war. Die Kriminalpolizei
appellierte gestern an den Anrufer, sich noch einmal zu melden. Für den Mord an
der achtundvierzigjährigen Krankenschwester in dem Dörfchen Lower Swinstead in
Oxfordshire, deren Mörder durch ein Fenster im Erdgeschoss eindrang, hat sich
bislang kein eindeutiges Motiv ergeben.
    Laut
Chief Superintendent Strange von der Thames Valley Police rief der Mann zweimal
an. «Wir haben das größte Interesse daran, baldmöglichst wieder von dem Anrufer
zu hören, und werden seine Mitteilungen natürlich streng vertraulich behandeln.
Die Anrufe waren nach unserer Meinung kein schlechter Scherz, und der Anrufer
war, soweit wir das beurteilen können, auch nicht selbst der Mörder, aber wir
erhoffen uns von ihm einen wesentlichen Beitrag zur Aufhellung dieses brutalen
Mordfalles.»
    Mrs.
Harrisons Ehemann Frank hielt sich zur Tatzeit in London auf, wo er für die
Swiss Helvetia Bank tätig ist. Simon, der Sohn des Hauses, arbeitet im Verlag
Daedalus Press in Oxford, die Tochter Sarah ist Assistenzärztin im
Diabeteszentrum der Radcliffe Infirmary in Oxford.
     
    Hatte Morse beim Lesen des
letzten Satzes die Augen leicht zusammengekniffen? Nicht ausgeschlossen, dass
ihn etwas daran verwundert oder sein Interesse geweckt hatte, aber er enthielt
sich jeden Kommentars dazu.
    «Ich darf doch annehmen, dass
die (Aufhellung) nicht auf Ihrem Mist gewachsen ist?», fragte er seinen
Vorgesetzten.
    «Na, hören Sie mal! Sie kennen
doch den schlampigen Stil dieser Zeitungsfritzen.»
    Morse nickte und gab den
fotokopierten Artikel zurück.
    «Nein, behalten Sie ihn, Morse.
Ich habe das Original.»
    «Sehr liebenswürdig, aber...»
    «Interessiert Sie die Meldung
nicht?»
    «Nur der Schluss, wo vom
Radcliffe die Rede ist.»
    «Warum das?»
    «Sie wissen ja, dass ich dort
mal gelegen habe, nachdem sie mich diagnostiziert hatten.»
    «Heiliger Himmel, das hört sich
ja an, als wären Sie der Einzige, bei dem jemals ein Befund festgestellt worden
ist.»
    Morse hielt den Mund, denn
natürlich wusste er, dass auch Strange etwa ein Jahr vor ihm Patient im
Radcliffe gewesen war. Über seine Beschwerden war nichts Genaues bekannt. Im
Flüsterton munkelte man etwas von «endokrinologischer Dysfunktion», aber es gab
im Präsidium nicht viele Mitarbeiter, die ein so vielsilbiges Leiden kannten
und es ohne weiteres hätten buchstabieren oder aussprechen können.
    «Wissen Sie, warum ich Ihnen
den Artikel mitgebracht habe, Morse?»
    «Nein. Und ehrlich gesagt will
ich es auch gar nicht wissen. Ich habe bekanntlich Urlaub. Hochgradige
Erschöpfung, meint mein Arzt. Viel zu hohe Blutzuckerwerte. Viel zu hoher
Blutdruck. Ruhen Sie sich ein paar Tage ordentlich aus, hat er gesagt, und
vergessen Sie die große weite Welt da draußen.»
    «Leider ist es nicht allen
vergönnt, sie zu vergessen», sagte Strange leise, und Morse stand auf und
stellte den CD-Spieler ab.
    «Der Fall war nicht gerade ein
Ruhmesblatt für Sie, wenn ich mich recht erinnere.»
    «Einer der wenigen, sehr
wenigen Fälle, Morse, die ich gegen die Wand gefahren habe. Dabei war es genau
genommen gar nicht mein Fall, aber er fiel und fällt in meine Zuständigkeit.»
    «Und was hat das mit mir zu
tun?»
    Strange schien noch breiter und
mächtiger zu werden, als er drucksend herausbrachte: «Nach der Sache mit meiner
Frau... das war ja alles nicht so einfach... ich dachte, es würde mir gut tun,
noch ein Jahr zu bleiben. Aber...»
    Morse nickte mitfühlend. Mrs.
Strange war vor einem Jahr ganz plötzlich gestorben — an einem Herzinfarkt, was
bei einer so mageren, so vorsichtigen, körperlich scheinbar so robusten Frau
niemand

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