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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Reinecke
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dritten Male erhielt ich ihre freundliche Antwort: „Sie haben ganz Recht!“ „Geben Sie mir Ihren Arm“, setzte sie hinzu; und auf so einfache Weise war der Missmut dieses eigenartigen Charakters besiegt.
     Am andern Morgen fuhr ich mit ihr nach Bremen zurück. In einer Soirée, die am Abend desselben Tages stattfand, sprach die ebenso hochherzige als geniale Künstlerin mir den Wunsch aus, sich für mein häufiges Mitwirken in ihren Konzerten revanchieren zu dürfen, indem sie in einem von mir zu veranstaltenden Konzert singe. Nachdem ich geantwortet hatte, dass man dergleichen doch nicht so genau abzuwägen brauche, drängte sie mich in eine Ecke des Salons und drohte mir, mich nicht eher freizulassen, als bis ich ihr die Hand darauf gegeben habe, dass ich ihren Vorschlag annehmen wolle. Schließlich war es ja keine so schwere Aufgabe, darauf die Hand zu geben. Ich kann es mir nicht versagen, ihren hierauf bezüglichen Brief, den ich einige Zeit darauf aus Stockholm erhielt, hier mitzuteilen, und zwar mit allen den kleinen Schnitzern und Redewendungen, die dem Ausländer so gut stehen und so verzeihlich sind. Er liegt, leider schon etwas chiffoniert, vor mir. Der Briefbogen mutet einen heute mit seinen gemalten Blumen und ausgezackten Rändern recht altmodisch an. Der Inhalt lautet:
     
    „Geehrter Herr Reinecke!
      Als ich es Ihnen versprochen, komme ich jetzt bald nach Deutschland wieder um in einem Conzert von Ihnen mitzuwirken. Ich reise von hier am Donnerstag d. 27. d. M. und hoffe, dass Ihnen der 4. Juli ein passender Tag sey, da ich wohl schwerlich später als am 6. am Rhein seyn möchte. Ob nun der Donnerstag für Bremen ein guter Tag ist weiß ich zwar nicht, aber dies hoffe ich. Wenn Sie das Conzert am Tage    d. h um 1 oder 2 Uhr machen wollen ist mir auch recht. Ich bleibe wohl ein Tag in Lübeck, vielleicht möchten Sie die Güte haben mich bis den 1. July dort ein paar Zeilen schicken (Adresse dem Herrn Doktor Heyland). Wählen Sie zwischen folgenden Nummern: 1. Arie (der Gräfin) aus Figaro's Hochzeit. 2. Arie aus der Freischütz „Wie nahte mir der Schlummer“. 3. Trio aus der Oper Vielka von Meyerbeer für zwei Flöten und eine Singstimme. Das wäre nett wenn Sie zwei gute Flöten hätten, denn dies ist ein hübsches Conzertstück. 4. eine Arie von Donizetti (aus der Liebestrank) oder sonst wenn Sie etwas wissen was man in Bremen gern mag. Für mich ist es einerlei ob Sie das Conzert mit oder ohne Orchester arrangiren wollen. Sie wünschen vielleicht, dass ich dreimal singe. Haben Sie dann die Güte und wählen Sie von diesen oben genannten Musikstücken welche Sie am liebsten mögen. - Sehr freundlich wäre es, wenn Sie mir der Familje Fincke vielmals grüßen wollen. -
    Ich werde wahrscheinlich mit eine bekannte Familje von Lübeck reisen, wünsche aber in einem ruhigen Gasthofe zu logiren. Seyn Sie so gütig mich den Namen eines solchen zu nennen. Ich wünsche Ihnen Glück zu und verbleibe Ihre mit freundlichen Gesinnungen ergebene
     
    Stockholm, d. 13. Juni 1850
    Jenny Lind“
     
    Das Konzert fand am 4. Juli statt. Im Solistenzimmer bemerkte sie meine, ich ihre Aufregung, und sie fragte mich: „Müssen Sie denn auch immer gähnen, bevor Sie öffentlich auftreten, gerade so wie ich?“ Ich musste es zugeben. „Ja, ja“, sagte sie, „entweder hat man einen Ruf zu verlieren, oder man möchte sich einen erwerben. Es ist doch im Grunde immer nur Ruhmsucht, die einen befangen und aufgeregt macht; das Kind weiß nichts davon, wenn es sich öffentlich produzieren muss.“ - Obgleich ich das Stadttheater gemietet und ein Orchester engagiert hatte, so lieferte das Konzert doch immer noch einen glänzenden Ertrag; denn das Haus war vollständig ausverkauft; ja, es mussten sogar viele, die aus Bremerhaven, Begesack u. s. w. herbeigeeilt waren, um die berühmte Sängerin zu hören, mit betrübter Miene wieder umkehren, weil sie unbedachterweise versäumt hatten, sich im Voraus Plätze zu sichern.
    Viele, viele Jahre waren vergangen; ich saß mit den Meinen in Beckenried am Vierwaldstätter See unter dem bekannten großen Nussbaum und studierte die Fremdenliste. Da las ich „Hotel Axenstein: Herr Otto Goldschmidt und Frau aus London“, und kaum waren wir wieder im Hotel, da trat mein alter Freund und Landsmann Goldschmidt, seit langen Jahren der Gatte Jenny Linds, der auch meinen Namen in der Fremdenliste entdeckt hatte, auf mich zu, brachte mir Grüße von seiner Frau und eine

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