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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Reinecke
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Umgebung einer etwas kleinbürgerlichen Häuslichkeit die Schillerschen Worte so, dass wir alle wie versteinert dasaßen und erst durch ihr freundliches Lachen wieder in die frühere Alltagsstimmung zurückgeführt wurden. Weiter erzählte sie dann unter anderem dies: „Als ich nach langen Jahren wieder in Hamburg als Sängerin auftrat und als Fidelio großen Erfolg errungen hatte, kam, nachdem der Vorhang zum letzten Male gefallen war, ein vom hohen Alter gebeugter Greis auf mich zu, holte mit zitternder Hand ein zerknittertes Papier hervor und entnahm demselben die kleine Medaille, die ich ihm als fünfjähriges Kind hatte überreichen müssen.“ „Und der hieß Lindo“, rief ich, „ich hatte ihn schon erkannt, als Sie ihn zum ersten Male erwähnten. Ich habe als Kind bei ihm geturnt.“
    Wie alle echten Künstlernaturen war auch sie im Besitze eines reizenden Humors. Wenn sie sich einen Herrenzylinder auf den Kopf setzte, ihn tief in den Nacken schob, und mit den Allüren eines jüdischen Bankiers den Teufelswalzer aus Robert dem Teufel von Meyerbeer oder desselben Komponisten Lied: „Komm, schönes Fischermädchen, treibe den Kahn ans Land“, im jüdischen Jargon sang, so war das ebenso erschütternd komisch wie die oben erwähnten Momente erschütternd tragisch.
    Zum Abschied schrieb mir die liebenswürdige Künstlerin die folgenden Worte ins Album:
     
    „Die Musik ist das einzige Talent, was für sich besteht; alle anderen verlangen Zeugen.
    Dem kleinen Reinecke-Fuchs zum (freundlichen) o wie ungeschickt!!!, also: zum freundschaftlichen Andenken an seine dankbare Kunstgenossin
    Wilhelmine von Döring
    gen. Schroeder-Devrient.
    Kopenhagen, den 29. October 1847.“
     
    Noch einmal begegnete ich dieser seltenen Frau.
    Es mag im Jahre 1849 gewesen sein, als ich Robert Schumann bei seiner zeitweiligen Anwesenheit in Leipzig in dem zu jener Zeit von Künstlern bevorzugten Hotel de Bavière aufsuchte. Als ich mich damals nach einiger Zeit wieder entfernen wollte, sagte Schumann mit schlauem Lächeln: „Nun raten Sie einmal, wer soeben nach Ihnen gefragt hat und wer hier im Zimmer nebenan wohnt? Wenn Sie's nicht erraten können, dann gehen Sie nur hinein, Sie werden sich freuen.“ Neugierig gemacht, klopfte ich an die Nebentüre, hörte ein silberhelles „Herein“, öffnete die Türe, und mit dem Rufe „Füchschen“, den ich immer so gerne von ihr gehört hatte, eilte sie auf mich zu – es ist wohl keine Indiskretion, es zu erzählen – umarmte mich und gab mir einen Willkommenskuss. Sie hatte viel zu erzählen und klagte, dass sie, seit wir uns nicht gesehen hatten, so viel Trübes erfahren hatte, und dass ihr nur in ihrem kleinen Hündchen ein ganz treuer Freund geblieben wäre. Ich musste sie zum Scheine schlagen, und sie war glücklich wie ein Kind, als der kleine Hund auf mich losfuhr, um die Unbill zu rächen, die seiner geliebten Herrin angetan war. Es war das letzte Mal, dass ich sie sah.
     
     

Ferdinand Hiller
     
     

 
    Ein Talent, das jedem frommt,
    Hast Du in Besitz genommen;
    Wer mit holden Tönen kommt,
    Überall ist der willkommen.
     
    Welch ein glänzendes Geleite!
    Ziehest an des Meisters Seite;
    Du erfreust Dich seiner Ehre,
    Er erfreut sich seiner Lehre.
     
      Diese schönen Verse schrieb Goethe dem fünfzehnjährigen Ferdinand Hiller ins Stammbuch. Der Meister, von dem der Dichter spricht, Hummel, hielt den Knaben für würdig, an Beethovens Sterbebett zu treten, Chopin dedicierte dem Jünglinge drei seiner schönsten Notturnos (op. 15), und dem Manne widmete Robert Schumann sein herrliches Klavierkonzert in A-moll. Derjenige, dem solche Anerkennung von solchen Männern zuteil wurde, der sich überdies der Freundschaft eines Mendelssohn, Cherubini, Rossini, Berlioz, Liszt und Meyerbeer rühmen und erfreuen durfte, kann unmöglich ein gewöhnlicher Mensch und unbedeutender Musiker sein. Und dennoch ist nicht in Abrede zu stellen, dass Ferdinand Hiller schon jetzt, noch nicht 20 Jahre nach seinem Tode, ziemlich vergessen ist, - er, der so viel Talente besaß, dass man hätte glauben sollen, der Besitz eines einzigen derselben würde genügen, ihm auf längere Zeit hinaus den Nachruhm zu sichern. Hiller war ein begabter und sehr fruchtbarer Komponist, ein vortrefflicher, feiner Klavierspieler und ungewöhnlich gewandter Improvisator auf seinem Instrumente, ein überaus geschätzter Dirigent, ein geistreicher und witziger Schriftsteller, und außerdem ein glänzender

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