Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und meine Seele ließ ich zurueck

Und meine Seele ließ ich zurueck

Titel: Und meine Seele ließ ich zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérôme Ferrari
Vom Netzwerk:
Bedingtheit als Unteroffizier des Trosses mit Aussicht auf mittelmäßige Karriere hinter sich gelassen hätte, und er sagte damals, dass Sie bei Diên Biên Phu nicht sterben werden, da Sie zu jenen gehörten, die die schlimmsten Apokalypsen überlebten, und es hätte wahrscheinlich nur noch eines Glases gefehlt und er hätte Ihnen prophezeit, dass Sie niemals sterben würden. Ich hatte so lange darauf gewartet, Ihnen zu begegnen, mon Capitaine, Nacht für Nacht, in dieser Bar in Hanoi, und die herabströmenden Monsunregen schwemmten die Schlacken meiner verlogenen Heimwehgefühle hinweg, ich vergaß meine Familie, ich befreite mich von allem, was mich ans Leben band, von allem, was mir Fesseln anlegte, ich machte mich aller Dinge bar und zu allem bereit und nie zuvor war ich so verzweifelt frei wie beim Besteigen der Transportmaschine der amerikanischen Truppen, die mich endlich zu Ihnen bringen sollte. Ihr Schwager Jean-Baptiste hat mich an sein Herz gedrückt und mich gebeten, Sie für ihn in die Arme zu schließen, dabei sah er mich zum letzten Mal mit der ängstlichen Zärtlichkeit an, die man für gewöhnlich den Verstorbenen vorbehält, mich aber hat das nicht irritiert, ich habe mich ins Flugzeug gesetzt, umschnürt von meinem Fallschirm, Seite an Seite mit Fremden, vergnügt wir alle, als würden wir auf einem Fest erwartet werden. Wir besaßen keinen anderen Glauben mehr als denjenigen an die vergebliche Schönheit des Opfers. Die Aussicht auf unseren baldigen Tod berauschte uns, mon Capitaine, und wir waren vergnügt, weil wir wussten, dass diese Verherrlichung, die den Tod wünschenswert macht, der höchsten Weihung entsprach, die die Menschen in Anspruch nehmen konnten. Die ersten zielgerichteten Feuer der DCA haben das Cockpit erzittern lassen, die Tür öffnete sich und wir flogen so niedrig, dass ich den feuchten und süßlichen Geruch des Massakers roch, als ich in den flüssigen Himmel kippte. Ich erinnere mich noch, wie überrascht ich war und, heute darf ich es Ihnen sagen, wie enttäuscht, als ich Sie das erste Mal sah, mon Capitaine, ich erinnere es sehr genau, Jean-Baptistes Berichte hatten mich darauf vorbereitet, eine Art antiken Helden anzutreffen, mit ehernen, von den schwarzen Wassern des Styx gehärteten Gliedmaßen, und nicht etwa den juvenilen und melancholischen Lieutenant, der Sie ja waren, der so fragil zu sein schien, mon Capitaine, und ich erinnere mich, wie Sie traurig den Kopf hochgehoben haben und vor sich hin sagten Was wollt ihr denn noch hier? Für was? Alles ist vorbei, das Ganze ist eine absurde Dummheit, absurd und kriminell, und ich fühlte mich verletzt, weil Sie sich denjenigen gegenüber nicht dankbar zeigten, die gekommen waren, um mit Ihnen zu sterben, aber so ist es eben, Sie haben mich unzählige Male verletzt, mon Capitaine, und Sie waren sich dessen nicht einmal bewusst. Ich habe Ihnen ausgerichtet, dass Jean-Baptiste Sie in seine Arme schließt. Sie hatten geantwortet, dass dieser Auftrag meine Anwesenheit vollständig rechtfertigen würde, und Sie hatten mich durch den Lärm und den Gestank hindurch angelächelt. Um mich den Überlebenden Ihres Zuges vorzustellen, haben Sie lauthals geschrien. Dies hier ist Sous-Lieutenant Andreani, gekommen, um unser Schicksal mit uns zu teilen. Ein Corporal mit verbundenem Arm brachte mir einen vagen Gruß entgegen, ohne sich davon abbringen zu lassen, sein Radio zu befingern. Die anderen schauten mich nicht einmal an. Unsere Geschütze bombardierten pausenlos quer durch den Nebel hindurch blindlings die unsichtbaren Berghänge, Regen- und Stahlfluten fielen auf uns nieder mit schonungsloser Regelmäßigkeit und überall um uns herum wühlte sich das Schlachtfeld auf, mit seinen Wirbeln und unbeweglichen Wellenkämmen, die Fleisch- und Metalltrümmer vor sich herschwemmten. Ganz nah bei uns heulte ein Verletzter mit einer Sanftmut, die mich an das Schreien der Eulen in den Augustnächten meiner Kindheit erinnerte. Ich habe es in allen Sprachen dieser Welt schreien hören. Eine schwarze Hand tauchte aus einer Böschung auf, wie um etwas Unfassbares zu erhaschen. Ich versuchte dann, auf Ihr Lächeln zu reagieren, und noch immer hatte ich keine Angst vor dem Sterben, aber ich murmelte Das ist die Hölle, ich erinnere es sehr genau, Das ist die Hölle, mit zitternder Stimme, was ich mir nie verziehen habe, und Sie haben mir geantwortet Nein, das ist nicht die Hölle, Lieutenant, das ist bereits die ganze Gastfreundschaft, die

Weitere Kostenlose Bücher