Und meine Seele ließ ich zurueck
drücke ich den Dolch etwas tiefer hinein, verstehst du? Ich mache das in etwa so.
Er lässt die Klinge einen weiteren halben Zentimeter tief eindringen. Clément öffnet geistesschwache Augen und beginnt, schrille Schreie auszustoßen. Sein ganzer Körper zieht sich zusammen und er brüllt noch heftiger. Der Harki drückt auf seine Schultern und Febvay liegt beinahe quer über seine Beine gestreckt.
– Da, da, da ...
Ein zartes Wiegenlied. Febvay hat die Augen halb geschlossen. Die Spitze seiner rosafarbenen Zunge schaut zwischen seinen Zähnen hervor.
– Ich will, dass du einsiehst, dass ich keinen Spaß mehr mache, sagt Capitaine Degorce, als Clément sich erneut gefangen hat. Legen wir los.
Clément liefert die Namen. Zwei Algerier und zwei militante französische Kommunisten, ein Automechaniker und ein Lehrer. Capitaine Degorce zieht den Dolch heraus und führt ihn nah an Cléments Augen.
– Ein Zentimeter, siehst du. Kaum ein Zentimeter. Du bist wirklich nichts wert. Gar nichts. Du hättest mir besser zugehört. Es ist so einfach, die Dinge wieder an ihren ordnungsgemäßen Platz zu bringen.
Er wendet sich an Moreau.
– Holen Sie mir diese Typen, Moreau, und bringen Sie sie mir zum Reden. Die Franzosen wie die anderen. Mehr noch als die anderen, diese Schweine. Haben Sie verstanden? Ich pfeife auf die Öffentlichkeit. Und vergessen Sie nicht, ihnen ganz klar zu sagen, wer uns ihre Namen geflüstert hat.
Clément schluchzt. Capitaine Degorce betrachtet ihn mit Abscheu. Und er erkennt dieselbe Abscheu in den Augen von Febvay wieder, in denen von Moreau und in denen der Harkis, und ebenso die Bewunderung, der gebrochene Glanz heimlichen Einverständnisses. Auf dem Tisch Blut und Speichel. Clément hat sich auf die Seite gedreht, den Kopf verborgen zwischen seinen gekreuzten Armen. Sein verkümmertes Geschlecht hängt dümmlich über dem Tisch unter der Wolle der Schambehaarung. Seitlich des Bauchnabels hat er einen großen Schönheitsfleck. Die mageren Beine, von rötlichen Haaren überzogen, zittern krampfartig. Seine Füße sind sehr weiß und feingliedrig, die Füße eines jungen Mädchens, aber die Nägel sind zu lang, unregelmäßig, und einer der beiden kleinen Zehen ist dunkel, fast schwarz. Das Hochwasser ist vorüber. Zurück nur bleiben die Ruinen einer zutiefst traurigen Landschaft und inmitten dieser Ruinen der Körper von Clément, dieser mysteriöse und abstoßende Körper des Opfers. Capitaine Degorce ist speiübel.
– Lehren Sie denen Manieren, Moreau, sagt er trotz allem.
*
Er hat das Organigramm vervollständigt, telefonisch mit dem Colonel diskutiert und respektvoll all dessen Lügen zugestimmt. Jeglicher Wunsch nach Widerstand hat ihn verlassen. Er hat sich in seine Niedertracht geschickt und er will nur noch eine einzige Sache: so bald wie möglich mit der Mission, die ihn hier hält, abschließen. Er weiß nicht, was ihn danach erwartet, aber ihm ist alles gleichgültig. Er schreitet durch die Flure vorwärts, kommt von einem Befragungsraum zum nächsten, sein Blick bleibt so gut wie gar nicht an den Gesichtern der Araber, des Automechanikers und des Lehrers hängen, ihr Ausdruck zählt nicht, will nichts besagen. Diese Gesichter sind Masken einer Komödie, die der Schmerz in Stücke bersten lassen wird. Eine lang andauernde Klage wird irgendwo im Gebäude laut:
–
Tahar, ia Tahar!
Eine andere Stimme antwortet:
–
Tahar, ia Tahar! Allah irahmek!
Eine weitere Stimme antwortet daraufhin:
–
Allah irham ech-chuhada!
– Was sagen sie?, fragt der Hauptmann.
– Sie wissen um Hadj Nacer, antwortet ein Harki. Sie sagen, dass Gott seine Seele aufgenommen habe.
– Wieso wissen sie Bescheid?
Moreau hebt mit ohnmächtiger Geste beide Hände zur Seite.
– Bringen Sie sie zum Schweigen, befiehlt Capitaine Degorce. Ich will nichts mehr von ihnen hören.
Er geht, um allein mit sich eine Zigarette zu rauchen. Zunächst ist der Lärm der Türen zu hören, die sich rasch öffnen, dann Schreie und dann nichts mehr. Der Nachmittag nimmt kein Ende. Der Wind treibt einen regenschweren Winterhimmel vor sich her. Die Sonne trocknet die feuchten Bürgersteige. Und es besteht die nämliche Monotonie, die nämliche Leere. Das Wesentliche ist aufgedeckt worden und nichts Neues wird mehr geschehen. Auf allen vieren in seinem Büro sucht er im Papierkorb die zerrissenen Teile des Briefes von Jeanne-Marie zusammen. Er versucht, sie geduldig wieder zusammenzufügen, und als er fertig ist,
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