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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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konnte.
    »Zurückbleiben!«, tönte die Stimme aus dem Lautsprecher, das Türschließsignal ertönte. Ich nahm Anlauf, sprang kurzerhand zu der anfahrenden Bahn, riss die sich schließende Tür noch mal auf und prallte direkt gegen den mächtigen Busen einer Frau, die vor der Tür stand. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Bahn beschleunigte.
    »Nu pass doch uff!«, fuhr sie mich an. »Hättste dir früher überlejen könn’, ob de einsteichst.«
    Während ich Halt an der Stange neben ihr suchte, murmelte ich mit hochrotem Kopf eine Entschuldigung. Toller Stunt! Und das nicht mal einen Meter von dem Mädchen mit den schönen Augen entfernt! Hatte sie bemerkt, dass ich mich total zum Affen gemacht hatte?
    Die Blonde neben dem Karamellmädchen sah mich kurz an, senkte ihren Blick dann wieder und flüsterte ihrer Freundin etwas zu. Diese wandte sich aber nicht um.
    Dass sie beide dieselben Blusen trugen, verwirrte mich ein wenig, doch dann sah ich das Emblem an ihrem Arm. Die beiden gehörten dieser DDR -Jugendorganisation namens FDJ an. Ich stellte mir immer vor, dass das so was wie Pfadfinder für Erwachsene waren – das absolut Uncoolste auf der ganzen Welt! Das musste aber nicht heißen, dass das Mädchen uncool war. Wenn sie sich nur einmal umdrehen würde!
    Nächster Halt Rosa-Luxemburg-Platz.
    Hier drängten mehr Fahrgäste in die Bahn. Offenbar war Feierabend, denn es waren sehr viele Arbeiter darunter, Maurer, Maler und Zimmerleute. Als sich ein Mann mit ziemlicher Bierfahne gegen mich drückte, ergriff ich die Flucht.
    Dabei sah ich aus dem Augenwinkel heraus ihre Wangen, ihre Nase, die Strähnen, die ihr ins Gesicht fielen – und dann sah ich sie richtig!

Love Will Tear Us Apart
26. Juni 1989. Mittags.
Milena
    »Ich weiß gar nicht, wie ich das wiedergutmachen soll«, sagte ich überglücklich zu Sabine, während wir uns auf die Sitze sinken ließen. Augenblicklich klebte der Kunststoff an uns fest und die stickige Luft, die von den anwesenden Fahrgästen noch mehr aufgeheizt wurde, umfing uns.
    Nach dem Zusammenstoß mit Frau Heinrich hatte mir Sabine angeboten, mir beim Erstellen der Wandzeitung zu helfen. Ihr Vater arbeitete bei der Berliner Zeitung, und sie hatte ihn überreden können, mir ein paar Artikel zur Verfügung zu stellen.
    Was für eine Erleichterung! Weil ich die Wandzeitung total verschwitzt hatte, hatten wir natürlich schon die Zeitungen zum SERO gebracht, und ich vermutete mal, dass zum Thema »Die Volksbildung der DDR « heute bestimmt nicht viel im Neuen Deutschland stand.
    »Ach lass mal, Freunde helfen sich doch, oder?«, winkte Sabine ab. »Was machste heut Abend außer der Wandzeitung?«
    Viel würde da nicht bleiben. »Ich werde versuchen, den NDR reinzukriegen, du weißt schon, wegen des Gruselfilms.« Ich weiß nicht, wie oft ich Sabine schon den Einspieler von »Mumien, Monstren, Mutationen« mit gruseliger Stimme und zombiehaft erhobenen Händen vorgemacht hatte.
    Sabine rümpfte die Nase. Für sie waren Gruselfilme nichts. Ich jedoch mochte die alten englischen Streifen. Dracula mit Christopher Lee, oder die Poe-Verfilmungen mit Vincent Price. Da wir uns keinen teuren Farbfernseher leisten konnten, musste ich zwar noch immer raten, wie die Farben der Kostüme aussahen, dennoch hatten die Filme Atmosphäre.
    »Meine Mutter will heute Abend bestimmt wieder Willi Schwabes Rumpelkammer schauen«, erklärte Sabine seufzend. Auch wenn sie nicht auf Gruselfilme stand, zusammengeschnittene Filmschnipsel, die von einem schon sehr alten Schauspieler präsentiert wurden, wollte sie auch nicht sehen.
    »Kannst ja zu mir kommen«, schlug ich vor, denn manchmal, wenn es ihre Mutter erlaubte, pennte Sabine bei mir. Wir hörten dann Musik, lasen oder gingen die Sammlung meiner Poster durch. Meist waren es Fotografien aus der
Bravo
oder der
Pop Rocky
, aber ein paar Originale hatte ich auch, für jeweils zehn Mark gekauft von Jungs an unserer Schule. Der blanke Wahnsinn, wenn man nur fünf Mark Taschengeld pro Monat bekam, aber wenn es um Depeche Mode oder David Bowie ging, konnte ich nicht anders.
    »Nee, das wird nichts«, winkte Sabine ab. »Du weißt, die Hausaufgaben. Außerdem …«
    Ein Rumpeln hinter uns ließ sie innehalten. Eine Frauenstimme krähte etwas, das ich nicht verstand.
    »Na guck dir mal den an!«, murmelte Sabine spöttisch, als die Bahn beschleunigte. »Springt einfach gegen die dicke Frau da, als wäre er Tarzan!«
    Aha, daher kam der Lärm.
    Umdrehen wollte ich

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