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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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das Schild schon mehrfach übermalt und beklebt worden war. Offenbar war sie schon durch etliche Kassettenrekorder gegangen. Was da wohl drauf war?
    Als der Zug verlangsamte und schließlich hielt, reagierte mein Körper wieder schneller als mein Verstand. Mit der Kassette in der Hand stürmte ich nach draußen. Klar waren einige Minuten vergangen und wir waren sicher mehr als einen Kilometer von der anderen Haltestelle entfernt. Doch U-Bahnen fuhren auch in die Gegenrichtung …
    Durch das Gewirr der Aussteigenden und Wartenden lief ich zur anderen Seite des Bahnsteigs. Wenig später fuhr tatsächlich ein Zug ein. Noch eine Runde Schwarzfahren!
    Als der Zug losbrauste, kribbelte es in meinem Nacken. Was, wenn jetzt doch jemand die Fahrscheine sehen wollte? Würde ich ihm den von der West-S-Bahn unterjubeln können?
    Glücklicherweise kam die nächste Station rasch – Schönhauser Allee, dort hatte ich das Karamellmädchen verloren. Ich drängte zur Tür, noch bevor der Zug verlangsamte, und erntete ein paar böse Blicke von Leuten, die es wohl ebenfalls eilig hatten.
    Als der Zug hielt, schoss ich mit meinem Stoffbeutel voller Bücher und mit der Kassette in der Hand durch die Menge. Hinter mir meckerte jemand, eine Frau keifte »Frechheit!« und das Geräusch, das ein Mann von sich gab, als ich ihn ein wenig unsanft zur Seite kickte, war nicht zu identifizieren.
    Als ich die Bahnhofstreppe hinter mir gelassen hatte, kam es mir vor, als wäre ich in einer anderen Welt gelandet. Ich stand an einer Straße. Hatte der Alexanderplatz noch bunt und offen gewirkt, war es hier, als sei ich genau in dem Grau gelandet, das man uns im Fernsehen immer zeigte.
    Die Häuser hier, viele schon mehr als hundert Jahre alt und schlecht instand gehalten, machten einen trostlosen Eindruck. In den Fenstern spiegelten sich die Wolken, vergilbte Gardinen verbargen die dahinterliegenden Wohnungen.
    Auch die Luft war hier anders, erfüllt von Benzingestank. Immerhin wusste ich, dass die kleinen, schrill knatternden Wagen, die an mir vorbeifuhren, Trabant hießen, die etwas größeren eckigen, deren Motor ein blubberndes Geräusch machte, Wartburg. Dazwischen fuhren noch andere Autos, die ich nicht kannte, die allerdings nicht wesentlich moderner aussahen – und Mopeds, die aussahen wie kleine Motorräder. Einige von ihnen hatten den Schriftzug Simson am Tank.
    Das Wichtigste jedoch entdeckte ich nicht – das Karamellmädchen.
    »Erst die Leute umrennen und dann den Weg versperren!«, quakte auf einmal jemand hinter mir. Es war der Mann mit dem undefinierbaren Geräusch. Er warf mir einen giftigen Blick zu und schüttelte dann mit dem Kopf.
    Meine Wangen begannen zu glühen. Enttäuschung fuhr mir tief in den Magen. Wo sollte ich das Mädchen suchen? Selbst wenn ich ihren Namen kennen würde, wäre es schwierig. Ich lief trotzdem über die Straße und stapfte mit meinem Bücherbeutel den Gehweg entlang.
    Meine Augen suchten nach diesem merkwürdigen Dunkelblau der Blusen, doch als ich schon meinte, es gefunden zu haben, gehörte es zur Arbeitsjacke eines Mannes, der sich im Gehen eine Zigarette ansteckte.
    Ich rannte weiter, sah Frauen und Männer. Kinder mit abgewetzten ledernen Schulranzen auf dem Rücken, wie ich sie nur aus alten Kinderfilmen kannte. Zudem trugen die meisten von ihnen blaue oder rote Halstücher um den Hals. War das eine Art Schuluniform?
    In einem der Hauseingänge saß eine Katze, vollkommen ruhig und unbeeindruckt von dem Treiben ringsherum. In einem offenen Fenster lehnte eine alte Frau in einer seltsam gemusterten Schürze, deren Hörgerät so groß war, dass ich es von Weitem sah.
    Nach etwa einer halben Stunde, in der ich viele schäbige Mietshäuser hinter mir gelassen hatte, gab ich es auf. Das Mädchen war verschwunden. Und ich hatte ihre Kassette.
    Ich griff in meine Hosentasche, befühlte die Plastikhülle. Und wenn ich nun am Bahnhof wartete? Vielleicht tauchte sie auf, weil sie nach der Kassette suchte …
    Doch auch nach einer weiteren Viertelstunde: nichts. Kein Karamellhaar, keine Blattaugen.
    Vollkommen durchgeschwitzt und niedergeschlagen fuhr ich zum Alexanderplatz zurück.
    Ich war mir nicht sicher, ob meine Freunde noch auf mich warteten. Schlimmstenfalls hatten sie die Polizei gerufen. Oder waren ohne mich nach Hause gefahren. Letzteres war wahrscheinlicher.
    Als wir auf dem Bahnsteig einfuhren, suchte ich Max und die anderen vergeblich und beschloss, mir eine Fahrkarte zu besorgen, um zur

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