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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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mich aber nicht. In der Bahn gab es öfter Leute, die sich zum Affen machten, da lohnte es nicht. »Lass ihn. Erzähl mir lieber, was du aufgenommen hast.«
    Erst in Deutsch hatte Sabine bemerkt, dass sie ihre Kassette zu Hause vergessen hatte. Kein Beinbruch, denn sie wohnte ja auf dem Weg, und ich war gern für ein paar Minuten bei ihr, denn bei mir zu Hause wartete heute eh niemand.
    »Das kann ich dir doch nicht jetzt schon erzählen!«, entgegnete Sabine empört. »Dann verderbe ich dir die Überraschung. Du musst es hören!«
    Mir schwante bei Sabines Musikgeschmack Böses.
    »Solange du A-ha und die Pet Shop Boys drauf hast, ist alles in Ordnung«, sagte ich lachend, doch meine Freundin behielt ihr Pokerface und verriet nichts.
    »Sag mal, was hat dein Vater denn im Sommer vor?«, fragte sie stattdessen. »Der kriegt doch sicher Urlaub, oder?«
    »Klar kriegt er den«, entgegnete ich gleichgültig. »Aber wir fahren nirgendwohin. Er hatte sich um einen Platz im FDGB -Heim beworben, aber daraus wurde nix.«
    »Und was ist mit Mirko?«
    »Schmort noch immer in der Kaserne. Und ehe du fragst, nein, er kriegt keinen Urlaub über den Sommer. Wenn er doch mal zu Hause ist, hängt er am Wochenende in der Disko oder pennt bis in die Puppen, bis er wieder einrücken muss.«
    »Vielleicht hättest du dich für eine FDJ -Reise bewerben sollen. Nach Sotschi vielleicht.«
    Ich musste Sabine entgeistert angesehen haben, denn sie lenkte schnell ein: »Na gut, die Reisen gibt es nur für die Besten, aber trotzdem …«
    Als mich etwas am Arm streifte, sah ich auf.
    War das der Typ, von dem Sabine gesprochen hatte? Der die Frau »wie Tarzan angesprungen« hatte?
    Ich sah nur einen Jungen in Jeans und einem grauen, leicht schweißdurchnässten T-Shirt, dessen Locken ein wenig wirr von seinem Kopf abstanden – und der wirklich sehr gut aussah.
    »Mensch, ist der süß!«, sprach Sabine meinen Gedanken aus. »Und die Jeans, das ist ’ne echte Levi’s!«
    Ich hatte in diesem Moment keine Augen für die Jeans, die er trug – obwohl sie wirklich sehr gut an ihm aussah –, sondern nur für sein Gesicht.
    Für einen Moment trafen sich unsere Blicke und ich erkannte, dass seine Augen kaffeebraun waren, nicht muckefuckhell, sondern rondodunkelbraun. Dazu das schwarze Haar und der leichte Bartschatten an seinen Wangen …
    Ein Typ wie ein Schauspieler! Ein Typ wie Romeo. Etwas schüchtern lächelte er mich an und ich – ich kriegte kein Lächeln zustande! Ich starrte ihn an, wahrscheinlich genau so, dass er mich blöd fand. Doch warum machte ich mir eigentlich Gedanken darum?
    »Wir müssen!« Sabine stieß mich an. Vor lauter Gedanken hatte ich nicht mitbekommen, dass der Zug an der Station Schönhauser Allee hielt. Ich schnappte meine Tasche, und während ich hinter Sabine herlief, ärgerte ich mich, dass ich mich nicht schon eher umgesehen hatte.
    So einen Jungen, einen wie Romeo, bekam man in unserer Gegend nicht so häufig zu Gesicht. Und jetzt fuhr er davon mit der Bahn und ich sah ihn nie wieder!
Claudius
    Was für Augen! Vielleicht lag es an der tropischen Hitze in der Bahn, dass sie mich an einen Dokufilm über bedrohte Pflanzen des Regenwaldes erinnerten. Die Blätter irgendeines Baumes, dessen Namen ich vergessen hatte, waren ähnlich blaugrün gewesen, Tautropfen hatten auf ihnen geglitzert. Diese Blätter hatte sie in ihrem Blick. Einem Blick, der mich jetzt noch heftiger traf als beim ersten Mal.
    Ich stand da wie versteinert, viele Minuten lang. Hätte der Bahnfahrer diesmal nicht etwas sanfter gebremst, wäre ich bestimmt auf irgendeinem Schoß gelandet. Die Aussteigenden drängten sich an mir vorbei, doch ich bemerkte sie nicht. Dann aber sprangen Karamellmädchen und ihre Freundin auch auf.
    In diesem Augenblick fühlte ich mich wie gelähmt. Klingt vielleicht blöd, aber es kam mir vor, als hätte mir jemand was abgerissen. Ich starrte ihr hinterher, hoffte, dass sie sich noch einmal umdrehen und mich ansehen würde. Doch sie verschwand mit dem anderen Mädchen in der Menge.
    Da wurden auch schon die Türen geschlossen und der Zug fuhr wieder an.
    Ich Trottel! Warum war ich ihr nicht nachgelaufen?
    Ein Klappern riss mich aus meinen Gedanken. Etwas war von dem Sitz gefallen, auf dem die Unbekannte gesessen hatte, direkt vor meine Füße. Eine Kassette! Sie musste ihr aus der Tasche gerutscht sein! Da niemand sich darum kümmerte, hob ich sie kurzerhand auf.
    Den Hersteller konnte man nicht mehr erkennen, weil

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