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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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durchtrainierter Körper in einem schlecht sitzenden grauen Anzug steckte, der – bis auf die Farbe – dem ähnelte, den Lorenz am Zeugnistag getragen hatte. Doch jetzt konnte ich nicht mehr darüber lachen.
    »Ah, Jugendfreundin Paulsen!«, sagte der Stasimann und musterte mich mit seinen blassblauen Augen von Kopf bis Fuß. Dass ich mein FDJ -Hemd anhatte und auch sonst keine Westklamotten trug, schien ihn zufriedenzustellen. »Dann kommen Sie mal rein.«
    Direktor Neumann hatte den Platz hinter seinem Schreibtisch geräumt und seinem Gast überlassen. Stattdessen saß er auf einem der gepolsterten Metallstühle, die vor dem Schreibtisch standen. Der Platz neben ihm war frei und offenbar für mich gedacht. Sollte mir diese Anordnung das Gefühl geben, dass ich nicht allein war? Oder wollten sie mich damit ordentlich in die Zange nehmen?
    Ich grüßte Herrn Neumann zaghaft und stellte mich neben die Tür. Der Stasimann, der es nicht nötig gehabt hatte, sich vorzustellen, nahm seinen Platz hinter dem Schreibtisch ein.
    »Setzen Sie sich, Jugendfreundin. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich ein paar Fragen an Sie. Je nachdem, wie Sie sie beantworten, dauert die Befragung lange oder weniger lange, es liegt ganz in Ihrer Hand.«
    Während ich mich auf dem Stuhl niederließ, wandte ich meinen Blick nicht von dem Stasimann ab. Der Direktor sah wiederum mich an. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Ich roch Schweiß unter seinem Florena-Rasierwasser. Wahrscheinlich hatte er genauso große Angst wie ich – denn möglicherweise würde ihn der Stasimann beschuldigen, mich nicht ordentlich erzogen zu haben.
    »Wie Sie vielleicht wissen, ist uns zu Ohren gekommen, dass staatsfeindliche Elemente versucht haben, mit Ihnen in Kontakt zu treten.«
    Staatsfeindliche Elemente. Claudius war das nie im Leben. Und selbst, wenn Mama mir geschrieben hätte, wäre sie keines, das wusste ich genau. Mama. Ich konnte es noch immer nicht glauben. Etwas krampfte sich in meiner Brust zusammen und hinderte mich daran zu antworten.
    »Haben Sie die Frage nicht verstanden, Jugendfreundin?«, fragte der Stasimann ungeduldig.
    »Doch, natürlich«, presste ich hervor, aber die Klammer um meine Brust wollte noch immer nicht lockerer werden. Im Gegenteil, sie zog sich noch weiter zu.
    »Und was sagen Sie dazu?«
    Ich blickte Hilfe suchend zum Direktor, doch wie ich sehen konnte, floss auch ihm der Schweiß in den Hemdkragen. Meine Nase hatte sich nicht getäuscht, auch er hatte Angst. Nur konnte man nicht sehen, dass er bleich um die Nase war, denn er trug ja einen Vollbart.
    »Ich weiß nichts von staatsfeindlichen Objekten«, antwortete ich. »Zumindest hat mir noch niemals jemand was Staatsfeindliches gesagt.«
    Der Stasimann nickte, aber es war kein zufriedenes Lächeln. Eher eines, mit dem er sich selbst bestätigte, dass es genauso schlimm um mich stand, wie er gedacht hatte.
    »Der Kontakt zwischen Ihnen und dem staatsfeindlichen Element soll per Brief stattgefunden haben«, ließ der Stasimann die Katze aus dem Sack. Oder zumindest meinte er, das zu tun, denn eigentlich wusste ich es ja schon von Frau Heinrich. »Wer ist diese Person?«
    »Ein Bekannter von Onkel Erwin«, sagte ich, scheinbar freimütig bekennend, denn wenn die Stasi so gut unterrichtet war, wusste sie sicher auch von unserer Westverwandtschaft. Diese war zwar erloschen, denn Onkel Erwins Frau war schon vor langer Zeit gestorben und sie hatten auch keine Kinder gehabt.
    »Onkel Erwin?«, fragte der Stasimann ungläubig.
    Auf einmal fragte ich mich, ob in dem Brief vielleicht noch mehr Bilder waren, die an der Grenze einkassiert worden waren. Ich hatte keine Beschädigung gefunden, aber vielleicht hatten sie meinen zerpflückt. Vielleicht war er gar nicht bei Claudius angekommen. Der dachte sicher, ich hätte ihn vergessen oder so was …
    Aber das war im Moment Nebensache. Mein Magen kniff und biss, und ich fragte mich, wie lange ich hier in diesem nach Zigarettenqualm stinkenden Büro noch sitzen musste.
    »Onkel Erwin war der Bruder meines Opas. Er ist durch den Krieg nach Westberlin verschlagen worden.« Diese Antwort schien ihn zu freuen. Ich hätte auch behaupten können, dass Opa das Pech gehabt hatte, nicht noch vor dem Mauerbau erfahren zu haben, dass sein Bruder noch lebte, und wo er lebte, doch dann wäre der Stasimann wohl ungehalten geworden.
    Ich fragte mich auf einmal, was Mama wohl darüber denken würde, dass ich hier saß. »Und was ist mit diesem Onkel Erwin

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