Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
einem Rekorder abschleppen zu müssen. Bei den Kassetten fiel mir wieder Sabine ein. Die musste ja in ein paar Tagen wiederkommen! Was sie wohl dazu sagen würde, dass ich abgehauen war? In ihren Augen war ich dann sicher genauso eine Verräterin wie die anderen, die über Ungarn verschwanden.
    »Wir sollten uns unterwegs ein Zelt besorgen«, meinte Claudius, als ich meinen Rucksack aus meinem Zimmer schleppte.
    »Wir haben im Keller noch eine Zeltplane«, erklärte ich. »Mein Bruder ist früher mal mit seinen Freunden Zelten gefahren. Das Gestänge ist lange weg, Mirko hat es gebraucht, um irgendwas zu reparieren. Aber die Plane ist noch gut, und wenn wir unterwegs irgendwelche Äste finden, können wir sie vielleicht gebrauchen.«
    Claudius sah mich lange an. »Du weißt dir immerhin zu helfen.«
    »Gib mir einen Trabi-Motor und ich baue dir einen Trecker draus, so ist die Devise bei uns«, antwortete ich. »Aus Alt mach Neu! Rohstoffe sind hier knapp, die Leute werfen kaum etwas weg, weil sie es irgendwie noch immer gebrauchen können.«
    »Klingt ja fast schon wie MacGyver.«
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »MacGyver?«
    »Das ist so ’ne Serie bei uns, läuft auf den Privatsendern.«
    »Ihr habt noch mehr als ZDF , ARD und die Dritten?«
    »Ja, die bekommt man über Satellit. Die Eltern von Max haben so eine Schüssel. Die Serie ist echt stark!«
    »Und die spielt im Osten?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand drüben eine Fernsehserie über uns sehen wollte.
    »Nein, in den USA . Aber der Held kann aus einer Bleistiftmine und einem Kaugummi eine Bombe basteln. Oder andere Sachen, die ihm aus der Klemme helfen.«
    »Na, dann haben wir ja gute Chancen, zur Grenze zu kommen, wenn du dich da auch auskennst.«
    Nachdem ich auch etwas Proviant in meinem Rucksack verstaut hatte, kehrten wir der Wohnung den Rücken. Konsequent wäre es gewesen, den Schlüssel am Haken zu lassen – doch ich nahm ihn für alle Fälle mit.
    In unserem Haus war es nie leise. Auch spät in der Nacht war immer noch jemand wach, ließ den Fernseher oder das Radio laufen oder unterhielt sich. Sicherlich würde von denen, die wach waren, niemand den Kopf aus der Tür stecken, wenn er es tief in der Nacht rumoren hörte. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass uns niemand entgegenkommen konnte. Manche Mieter waren Nachtschwärmer, die sich in den Kneipen aufhielten, solange es ging.
    So unauffällig wie möglich lief ich mit Claudius die Treppe hinunter. Der Rucksack schnitt in meine Schulter, aber dennoch versuchte ich, meine Schritte leise zu setzen, ohne verdächtig zu schleichen.
    »Soll ich nicht besser deinen Rucksack nehmen?«, flüsterte Claudius hinter mir. Ich drehte mich um und legte den Finger auf die Lippen. Die Leute sollten nicht mitbekommen, dass wir hier auf der Flucht waren. Mit Claudius’ Stimme konnten sie zwar nichts anfangen, aber wenn mein Vater begann, nach mir zu suchen, würden die Nachbarn ihm sicher stecken, dass sie eine fremde Stimme im Treppenhaus gehört hatten.
    Unten angekommen huschte Claudius kurz aus der Tür. Gemessen an der Größe des Rucksacks, den er bei sich hatte, hatte er sich darauf eingerichtet, dass wir ein paar Wochen unterwegs waren.
    »Er hat mir gewissermaßen das Leben gerettet«, flüsterte er mir zu. »Einen Teil des Aufpralls hat er abgefangen.«
    Er schulterte das Ding und folgte mir dann durch den Gang zur Kellertür. So vorsichtig wie möglich schloss ich auf und machte Licht. Die Spinnweben an der Lampe waren schon wieder mehr geworden, wie Rohwolle umschlangen sie das Kabel. Das Licht konnte man bestenfalls funzlig nennen, aber es reichte aus, um sich zurechtzufinden.
    Aus unserem Kellerabteil, das eigentlich nie abgeschlossen war, kramte ich die Plane hervor. Sie war wirklich noch gut erhalten, schmutzig zwar, aber wir konnten sie ja in einem See oder etwas Ähnlichem abwaschen.
    »Siehst du, ich …«
    Ich stockte. Waren das Schritte im Gang?
    Ich hielt den Atem an und Claudius den Mund mit der rechten Hand zu. Wie erstarrt standen wir da, wagten nicht mal zu atmen. Ich ärgerte mich, dass ich die Kellertür nicht hinter mir zugezogen hatte. Der Lichtschein konnte einen Neugierigen dazu bringen, nachzuschauen, was los war.
    Doch die Schritte schlurften die Treppe hoch. Kam da wer aus der Kneipe? Möglich, aber ich wollte im Moment nur eines: raus hier aus dem Keller. Weg aus der Schönhauser. Fort aus Berlin.
    Als irgendwo über uns die Tür ins Schloss gefallen war,

Weitere Kostenlose Bücher