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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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zwar zur Schule, musste aber vier- oder fünfmal täglich schlafen. Dann bekam sie Magenschmerzen, die die ganze Nacht andauerten. Mein armes Mädchen war völlig am Ende und fragte immer wieder: Warum gerade ich?«
    Lynn blickte unvermittelt auf, als Caitlin ins Zimmer trat.
    »Hi!«, sagte sie.
    »Mein Engel, das ist Frau Hartmann.«
    Caitlin gab der Frau die Hand, wirkte aber vorsichtig. »Freut mich.« Ihre Stimme zitterte.
    Lynn bemerkte, dass die Frau ihre Tochter eingehend musterte. »Mich freut es auch sehr, dich kennenzulernen, Caitlin.«
    »Liebes, ich habe Frau Hartmann gerade von den Magenschmerzen erzählt, derentwegen du die ganze Nacht wach gelegen hast. Dann hat der Arzt dir Antibiotika verschrieben, nicht wahr? Und die haben auch eine Zeitlang gewirkt.«
    Caitlin setzte sich auf das andere Sofa. »So genau kann ich mich nicht erinnern.«
    »Du warst damals auch noch sehr jung.« Lynn wandte sich wieder an Marlene Hartmann. »Irgendwann wirkten sie nicht mehr. Da war sie zwölf. Man stellte bei ihr eine Erkrankung namens PSC – primär sklerosierende Cholangitis – fest. Sie verbrachte fast ein ganzes Jahr im Krankenhaus. Erst hier, dann auf der Leberstation des Royal South London. Sie wurde operiert, und man setzte ihr Stents in die Gallengänge.«
    Lynn schaute ihre Tochter an, die daraufhin nickte.
    »Können Sie sich vorstellen, was es für einen lebhaften Teenager bedeutet, ein ganzes Jahr im Krankenhaus zu verbringen?«
    Marlene Hartmann lächelte mitfühlend. »Ja, das kann ich.«
    Lynn schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass Sie sich vorstellen können, wie englische Krankenhäuser sind. Das Royal South London ist eine der besten Kliniken, und doch haben sie Caitlin wegen Überfüllung einmal auf eine gemischte Station gelegt. Ohne Fernseher. Umgeben von verwirrten älteren Leuten. Tag und Nacht hatte sie mit dementen Männern und Frauen zu tun, die zu ihr ins Bett steigen wollten. Sie war in einem furchtbaren Zustand. Ich bin so lange bei ihr geblieben, bis man mich hinauswarf. Dann habe ich im Wartezimmer oder auf dem Flur geschlafen.« Sie schaute ihre Tochter an, als sollte diese ihre Aussage bestätigen.
    »Toll war die Station wirklich nicht«, sagte Caitlin mit einem traurigen Lächeln.
    »Als sie wieder zu Hause war, haben wir alles versucht. Wir sind bei Heilern gewesen, bei Priestern, haben kolloidales Silber, Bluttransfusionen, Akupunktur und so weiter ausprobiert. Nichts hat geholfen. Mein kleiner Engel sah aus wie eine alte Frau. Sie schlurfte, kippte um – nicht wahr, Liebling? Ich weiß nicht, was ohne unseren Hausarzt aus uns geworden wäre. Dr. Hunter ist ein Heiliger. Er fand einen neuen Spezialisten, der Caitlin andere Medikamente verschrieb und ihr damit zumindest eine Zeitlang ein normales Leben ermöglichte. Sie ging wieder zur Schule, konnte schwimmen, Netball spielen und fing wieder an, Musik zu machen. Das hat ihr immer viel bedeutet. Sie spielt Saxophon.«
    Lynn trank Kaffee und bemerkte dann verärgert, dass Caitlin nicht mehr zuhörte und wieder angefangen hatte, SMS zu tippen.
    »Vor etwa sechs Monaten ging es dann richtig los. Sie hatte Schwierigkeiten, beim Saxophonspielen zu atmen. Stimmt’s, Liebes?«
    Caitlin hob den Kopf, nickte und wandte sich wieder ihren SMS zu.
    »Jetzt hat uns der Spezialist gesagt, dass sie dringend eine Transplantation benötigt. Man fand auch einen passenden Spender, und vor einigen Tagen bin ich mit ihr ins Royal zur Operation gefahren. In letzter Minute hieß es aber, es gebe Probleme mit der Spenderleber. Was genau es war, haben sie uns nie richtig erklärt, jedenfalls nicht zufriedenstellend. Man deutete an, dass ihr Fall nicht vorrangig behandelt würde. Mit anderen Worten, sie könnte in die Gruppe der zwanzig Prozent fallen, die während der Wartezeit …«
    Sie zögerte und schaute ihre Tochter an, die den Satz für sie vollendete.
    »Die sterben, bevor sie eine Leber bekommen, will meine Mutter damit sagen.«
    Marlene Hartmann ergriff ihre Hand und schaute ihr tief in die Augen. »Caitlin, Liebes, bitte vertraue mir. Heutzutage muss niemand mehr sterben, weil er nicht das Organ bekommt, das er braucht. Sieh mich an, verstanden?« Sie deutete auf sich. »Siehst du mich auch an?«
    Caitlin nickte.
    »Ich hatte auch eine Tochter, Antje. Sie war zwei Jahre jünger als du. Mit dreizehn brauchte sie eine neue Leber. Wir bekamen keine. Antje starb. Am Tag der Beerdigung habe ich mir geschworen, dass niemand mehr,

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