Und morgen bist Du tot
einen Augenblick still sitzen. Er wusste, dass Glenn durch die Hölle ging. Um diese Jahreszeit war es noch schlimmer, dunkle, düstere Abende, und Weihnachten stand vor der Tür. Es hörte sich an, als wäre die Ehe nicht mehr zu retten. Wenn Glenn das erst akzeptiert hatte, könnte er endlich wieder nach vorne blicken, statt hoffnungslos auf der Stelle zu treten.
Einen Moment lang war Grace versucht, seinem Freund, der dringend jemanden zum Reden brauchte, nachzugehen. Andererseits hatte er viel zu tun. Er ignorierte das nächste Signal des Computers und wandte sich wieder seinen Notizen zu.
Er hatte mit einer Liste begonnen, die die Überschrift Ermittlungsansätze trug.
Da klingelte die interne Leitung. »Roy Grace.«
Es war Ray Packard. »Roy, ich sollte mich doch im Netz nach Leuten umsehen, die mit Organen handeln.«
»Stimmt.«
»Ich habe da was gefunden, das interessant sein könnte. In München gibt es eine Firma, die sich Transplantations-Zentrale GmbH nennt. Sie behaupten, dass sie die größten Händler für menschliche Organe weltweit sind. Mein Boss hier, Sergeant Phil Taylor, war vor ein paar Jahren mal bei Interpol. Er kennt den zuständigen Beamten für Deutschland und konnte das schnell überprüfen. Ich glaube, es wird dir gefallen!«
»Und?«
»Das bayerische Landeskriminalamt überwacht die Firma schon länger, weil sie sie des Menschenhandels verdächtigt. Aber es kommt noch besser. Diese Firma unterhält unter anderem auch Verbindungen nach Rumänien!«
»Das ist brillant, Ray! Ich habe sehr gute Kontakte zum LKA in München.«
»Ich dachte mir, dass es nützlich sein könnte.«
Grace bedankte sich und legte auf. Sofort suchte er die Handynummer von Kriminalhauptkommissar Marcel Kullen heraus.
Kullen war ein alter Freund von ihm, den er vor etwa vier Jahren kennengelernt hatte, als er im Rahmen eines Austauschprogramms sechs Monate lang bei der Kripo Sussex gearbeitet hatte. Marcel hatte ihm erst kürzlich geholfen, als er einer Spur nachging, weil Freunde angeblich Sandy in München gesehen hatten. Grace war für einen Tag nach München geflogen, doch es hatte sich als falsche Spur erwiesen.
Er wählte die Nummer von Kullens Handy. Als sich die Mailbox meldete, hinterließ er eine Nachricht.
65
NUN, DA SIE wichtigen Besuch erwartete, wünschte Lynn sich mehr denn je, dass sie ihr Haus ein wenig schöner hätte herrichten können. Dass sie es sich wenigstens hätte leisten können, die grauenhaft gemusterten Vorhänge im Wohnzimmer durch moderne Jalousien zu ersetzen oder den verschlissenen Teppich loszuwerden.
An diesem Morgen hatte sie sich sehr bemüht, das Haus herauszuputzen, hatte in Diele und Wohnzimmer frische Blumen aufgestellt und Zeitschriften wie Sussex Life, Absolute Brighton und einige Hochglanzmagazine auf dem Couchtisch angeordnet. Diesen Trick hatte sie aus einer Einrichtungssendung im Fernsehen. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm, das sie secondhand gekauft hatte, eine elegante weiße Bluse und schwarze Schuhe und hatte großzügig Eau de Toilette von Escada aufgetragen, das Caitlin ihr zum Geburtstag geschenkt hatte und mit dem sie gewöhnlich sehr sparsam umging.
Während die Zeit verstrich, wuchs ihre Angst, die Deutsche könnte nicht auftauchen. Es war schon Viertel nach zehn, und Marlene Hartmann hatte am vergangenen Nachmittag gesagt, sie werde gegen halb zehn zu ihr kommen. Was war mit der deutschen Pünktlichkeit?
Vielleicht hatte ihr Flug Verspätung gehabt.
Scheiße. Sie war mit den Nerven am Ende. Die ganze Nacht hatte sie kaum geschlafen, war jede Stunde aufgestanden, um nach Caitlin zu sehen, und hatte voller Wut an die Transplantationskoordinatorin im Krankenhaus gedacht.
Und sie hatte sich gefragt, auf was sie sich da einließ.
Andererseits hatte sie keine Alternative.
Sie warf einen letzten Blick ins Wohnzimmer und entdeckte entsetzt eine Zigarettenkippe, die in der Erde ihrer Aspidistra steckte. Sie warf sie in den Müll, während sie Luke innerlich verfluchte. Natürlich konnte sie auch von Caitlin sein. Sie merkte am Geruch, dass ihre Tochter gelegentlich rauchte, seit sie Luke kannte. Sie entdeckte einen Flecken auf dem beigefarbenen Teppich und wollte gerade ein Spray holen, als draußen eine Autotür zugeschlagen wurde.
Aufgeregt stürzte sie ans Fenster. Durch die Gardine sah sie einen braunen Mercedes mit getönten Scheiben, der vor dem Haus angehalten hatte. Sie trat rasch beiseite und stellte den Fernseher leiser. Auf dem
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