Und morgen bist Du tot
feurig.«
»Bin ich doch schon. Wie geht’s deiner Seele?«, flüsterte er.
»Sie wehrt sich gegen das Gift.« Sie küsste ihn noch einmal und ging hinaus.
»Dieses Buch hier – ist es das Weihnachtsgeschenk für deinen Vater?«, rief er ihr nach.
Sie kam zurück. »Ja. Das bringt dir tausend Gummipunkte ein. Eclipse war das berühmteste Rennpferd aller Zeiten. Er wird dich für sehr gebildet halten.«
»Vielleicht solltest du mir noch ein bisschen mehr darüber erzählen.«
Sie lächelte. »Warum liest du nicht das Buch?«
Er schlug sich an die Stirn. »Mann, bin ich blöd!« Dann betrachtete er das Cover und den Namen des Autors. Nicholas Clee. »War er ein berühmter Jockey?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, er war mal Tennisspieler, aber ich kann mich auch irren.« Sie ließ ihn wieder allein.
Grace las sich die Notizen der Besprechung durch und markierte wichtige neue Entwicklungen für seine Managementassistentin, damit sie sie vor der morgigen Besprechung in die Ermittlungsansätze einfügen konnte.
Sie hatten noch immer keinen Verdächtigen. Das Zentrum für Menschenhandel hatte ihnen mitgeteilt, es gebe keine Hinweise auf Personen, die wegen ihrer Organe illegal ins Land geholt wurden. Das deckte sich auch mit den bisherigen Ermittlungen der HOLMES-Analystin.
Der Handel mit menschlichen Organen zu Transplantationszwecken war einer der wichtigsten Ermittlungsansätze. Da man aber keine Belege für solche Vorgehensweisen in Großbritannien hatte, wollte Grace nicht alles auf diese eine Karte setzen, auch wenn es am wahrscheinlichsten schien.
Es konnte sich trotz allem auch um einen geistesgestörten Täter handeln, der über chirurgische Fähigkeiten verfügte.
Warum aber hätte der dann nur die vier wertvollsten Organe entnehmen sollen?
Was hätte Bruder Occam an seiner Stelle getan? Was war die offensichtlichste Erklärung? Welchen rasiermesserscharfen Schluss hätte der große Philosoph und Mönch gezogen?
Dann rief ihn Cleo mit sanfter Stimme zum Abendessen.
74
ALS LYNN UM KURZ VOR NEUN nach Hause kam, dröhnte laute Musik aus dem Wohnzimmer. Sie knallte die Tür zu, um den eisigen Wind auszusperren, und legte den Schal ab.
Noch im Mantel warf sie einen Blick ins Wohnzimmer. Luke lungerte auf dem Sofa herum und trank Cola light aus der Dose. Seine Haae sahen noch blöder aus als sonst, sie hingen in einem einzigen riesigen Stachel über seinem rechten Auge. Allerdings sah er nicht ganz so blöd aus wie die beiden Mädchen im Fernsehen, die in einem Popvideo tanzten.
Sie trugen nur schwarze BHs und Höschen, silberne Schachteln auf den Kopf und bewegten sich in zuckenden, mechanischen Bewegungen zu einem monotonen, harten Beat. Auf ihre Arme, Beine und Bäuche waren in großen schwarzen Buchstaben kurze Sätze gemalt. TUT ES! MACHT DAS! ARBEITET HÄRTER! IMMER BESSER!
»Daft Punk?«, fragte Lynn.
Luke nickte.
Sie griff nach der Fernsteuerung und stellte den Ton leiser. »Alles in Ordnung?«
»Caitlin schläft.«
Bei diesem Höllenlärm?, hätte sie beinahe gefragt, bedankte sich aber nur, dass er sich um ihre Tochter gekümmert hatte. »Wie geht es ihr?«
Luke zuckte mit den Schultern. »Keine Veränderung. Ich habe vor ein paar Minuten nach ihr gesehen.«
Lynn eilte im Mantel nach oben. Caitlin lag mit geschlossenen Augen im Bett. Im schwachen Schein der Nachttischlampe sah ihre Haut noch gelber aus. Sie öffnete ein Auge und linste zu ihrer Mutter.
»Wie geht es dir, mein Engel?« Lynn beugte sich vor, küsste sie und streichelte über ihr feuchtes Haar.
»Ich habe ziemlichen Durst.«
»Möchtest du Wasser? Saft oder Cola?«
»Wasser«, sagte Caitlin. Ihre Stimme klang leise und schwach.
Lynn ging in die Küche und holte Wasser aus dem Kühlschrank. Dabei fiel ihr auf, dass sich an der hinteren Wand Eis gebildet hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass das Gerät vermutlich bald den Geist aufgeben würde. Noch eine Ausgabe, die sie nicht stemmen konnte.
Als sie die Tür des Kühlschranks schloss, kam Luke barfuß in die Küche.
»Wie ist es heute gelaufen, Lynn?«
»Mit dem Geldsammeln?«
Er nickte.
»Ich bekomme etwas von meiner Mutter. Und Caitlins Vater hat uns seine gesamten Ersparnisse angeboten. Es fehlen aber immer noch 175000.«
»Ich würde auch gerne helfen.«
»Das – das ist wirklich sehr nett von dir, Luke«, erwiderte sie überrascht. »Aber die Summe ist einfach zu groß.«
»Ich habe Geld. Ich weiß nicht, ob Caitlin mal von meinem Vater
Weitere Kostenlose Bücher