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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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verlassenen Straße weckte sein Misstrauen. Er achtete nicht auf den Schmerz in Rücken und Rippen, ein Andenken an den Überschlag mit seinem Auto, und lief durch die engen, gepflasterten Gassen von Kensington Gardens, vorbei an den Cafés und Boutiquen, einem Geschäft für gebrauchte Möbel und einem Antiquitäten- und Trödelmarkt. Er bog in die Gardner Street und kam an Luigis Laden vorbei, in den ihn Glenn Branson, sein selbsternannter Stilguru, von Zeit zu Zeit schleppte, um seine Garderobe aufzupeppen.
    Als er die North Street erreichte, tauchten Scheinwerfer auf, und er hörte das Dröhnen eines kraftvollen Motors. Kurz darauf sauste ein schwarzes Mercedes-SL-Sportcoupé vorbei, dessen Fahrer durch die getönten Scheiben kaum zu erkennen war. Groß, schlank, männlich, das war alles. Er fragte sich, was der Mann um diese Uhrzeit hier zu suchen hatte. Kam er von einer Party? Musste er dringend zur Fähre oder zum Flughafen? In den frühen Morgenstunden sah man nur wenige teure Autos auf den Straßen. Meist waren Arbeiter in billigeren Fahrzeugen unterwegs. Natürlich konnte der Mercedes-Fahrer triftige Gründe haben, aber Grace merkte sich doch vorsichtshalber das Kennzeichen: GX57 CKL.
    Er überquerte die Straße und lief durch die engen Gassen des Lanes-Viertels, bis er die Strandpromenade erreichte. Außer einem Mann, der seinen ältlichen, übergewichtigen Dackel spazieren führte, war niemand zu sehen. Als sein Körper warm wurde, hinkte er weniger. Er lief die Rampe hinunter, vorbei am Honey Club, einem großen Nachtclub, der dunkel und verlassen dalag. Er blieb stehen und berührte zum Dehnen mit den Fingern die Zehenspitzen. Dann stand er ganz still da und atmete den Geruch des Meeres ein, eine Mischung aus Salz, Öl, fauligem Fisch, Bootslack und verrottendem Tang. Er horchte auf das Donnern und Schmatzen der See. Der Nieselregen sprühte ihm kühl ins Gesicht.
    Dies war einer seiner Lieblingsorte in der Stadt, unmittelbar am Wasser. Am frühen Morgen war die Gegend verlassen. Grace brauchte das Meer wie eine Droge, er liebte seine Geräusche, Gerüche, Farben und Stimmungswechsel; vor allem aber reizten ihn die Geheimnisse, die es bisweilen preisgab, wie die Leiche am vergangenen Abend. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, weiter entfernt vom Meer zu leben.
    Der Palace Pier, eines der Wahrzeichen der Stadt, war noch erleuchtet. Vor einigen Jahren hatten die neuen Eigentümer ihn in Brighton Pier umbenannt, doch für ihn und die meisten Bewohner der Stadt würde es immer der Palace Pier bleiben. Zehntausende Glühbirnen brannten, zeichneten die Umrisse der Aufbauten nach und ließen die Riesenrutsche wie eine Fackel in den Himmel ragen. Auf einmal fragte er sich, wie lange es dauern mochte, bis man aus Gründen der Energieersparnis die Lichter ausschalten musste.
    Er bog nach links ab und lief auf den Pier zu, tauchte in die Schatten unter dem dunklen Koloss, wo er und Sandy sich vor beinahe zwanzig Jahren zum ersten Mal geküsst hatten. Würde sein Kind hier auch sein erstes Rendezvous erleben?, dachte er, als er auf der anderen Seite wieder auftauchte. Nach einem knappen Kilometer kehrte er um und lief zurück zu Cleo. Mehr als zwanzig Minuten waren es heute nicht gewesen, doch er fühlte sich erfrischt und voll neuer Energie.
    Cleo und Humphrey schliefen noch. Er duschte rasch und wärmte die Schale mit Porridge auf, die Cleo für ihn bereitgestellt hatte. Beim Essen las er die Zeitung vom Vortag und fuhr dann ins Büro, wo er um Viertel vor sieben seinen Wagen abstellte.
    Wenn er nicht gestört wurde, blieben ihm eineinhalb Stunden, um die E-Mails der letzten Nacht zu lesen und den dringendsten Papierkram zu erledigen. Dann musste er ins Leichenschauhaus, wo der unbekannte Tote vom Baggerschiff obduziert würde.
    Zunächst loggte er sich in den Computer ein und überflog die Meldungen der letzten Nacht. Es war ruhig gewesen. Ein Überfall auf zwei männliche Homosexuelle in der Eastern Road, ein Büroeinbruch, ein Streit unter Betrunkenen bei einer Totenwache in einer Sozialbausiedlung in Moulescombe, ein umgekippter Anhänger auf der A 27 und sechs aufgebrochene Pkw in der Tidy Street. Die letzte Meldung las er gründlich, da es bei Cleo um die Ecke war, doch der Bericht sagte nicht viel aus. Dann hatte es in den frühen Morgenstunden noch eine Auseinandersetzung an der Bushaltestelle London Road gegeben und ein gestohlenes Moped.
    Lauter Kleinkram, dachte er beim Blick auf die Liste. Dann

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