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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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bei jeder Gelegenheit her. Selbst im blauen Kittel mit der grünen Plastikschürze und in weißen Gummistiefeln sah Cleo unglaublich sexy aus.
    Vielleicht war er einfach pervers, oder Liebe machte tatsächlich blind, wie man so schön sagte.
    Der langgestreckte graue Bungalow mit dem Rauputz, der gleich neben dem wunderschönen hügeligen Woodvale Cemetery lag, beherbergte einen Empfangsbereich, ein Büro, eine überkonfessionelle Kapelle, einen verglasten Ansichtsraum, zwei Lagerräume, die man erst kürzlich mit größeren Kühlschränken ausgestattet hatte, um die vielen Leichen aufzunehmen, einen Isolierraum für mutmaßliche Opfer von Aids und anderen Infektionskrankheiten wie auch den eigentlichen Autopsieraum, in dem sie sich gerade befanden.
    Jenseits der Wand war das Heulen eines Winkelschleifers zu hören. Das Leichenschauhaus wurde erweitert, um mehr Platz für die größeren Kühlschränke zu schaffen.
    Der graue Tag passte zu der Atmosphäre, die im Raum herrschte. Graues Licht fiel durch die blickdichten Fenster. Graue Wandkacheln. Auf dem Boden Fliesen mit braunen und grauen Sprenkeln, die farbliche Ähnlichkeit mit einem toten menschlichen Gehirn aufwiesen. Abgesehen von den blauen OP-Kitteln, die alle trugen, und den grünen Schürzen der Mitarbeiter und der Gerichtsmedizinerin, war ein rosa Seifenspender neben dem Waschbecken der einzige Farbtupfer.
    Der Autopsieraum roch wie immer nach Desinfektionsmittel, vermischt mit dem widerlichen Gestank verstopfter Abflüsse, wenn eine Leiche frisch geöffnet wurde.
    Wenn Gerichtsmediziner des Innenministeriums eine Autopsie vornahmen, war der Raum stets überfüllt, so auch jetzt. Außer ihm selbst, Nadiuska und Cleo war ihr Assistent Darren Wallace zugegen, der seine Karriere als Metzgerlehrling begonnen hatte; daneben Dennis Whitely, ein ernsthafter Mann, der die Verwaltung des Leichenschauhauses vertrat; James Gartrell, der stämmige Polizeifotograf, und schließlich Glenn Branson, der etwas abseits stand und sich gar nicht gut zu fühlen schien. Grace war schon öfter aufgefallen, dass sein Kollege trotz der großen, kräftigen Statur ziemliche Probleme bei Autopsien hatte.
    Das Fleisch des unbekannten Toten war cremeweiß und wächsern. Roy Grace wusste aus Erfahrung, dass Leichen, bei denen die Verwesung noch nicht sichtbar eingesetzt hatte, diese Farbe aufwiesen. Das Winterwetter und das kalte Meerwasser hatten den Prozess vermutlich verlangsamt, aber der Mann war offenkundig noch nicht lange tot.
    Nadiuska de Sancha trug das rote Haar hochgesteckt und schaute durch ihre Schildpattbrille auf den Körper. Sie schätzte, dass der Tod vor vier oder fünf Tagen eingetreten war. Eine genauere Aussage könne sie nicht machen. Auch sei sie zurzeit nicht in der Lage, die genaue Todesursache zu bestimmen, da dem unbekannten Toten die meisten lebenswichtigen Organe fehlten.
    Er war ein gutaussehender junger Mann mit flaumigem schwarzem Haar, das sehr kurz geschnitten war, einer römischen Nase und braunen Augen, die ins Leere starrten. Sein Körper war schmal und knochig, was eher auf Unterernährung als übertriebenen Sport zurückzuführen war. Das schloss Grace aus dem mangelnden Muskelaufbau. Die Genitalien wurden geradezu keusch von einem zurückgeklappten Hautlappen bedeckt, den Nadiuska am Brustbein entnommen und dorthin gelegt hatte, als wollte sie ihm im Tod ein wenig Würde verleihen. Das Fleisch an Brust und Bauch war beiderseits des großen Einschnittes zurückgeschlagen und enthüllte einen überraschend leeren Brustkorb und darunter die Schlingen des Darms, ähnlich einem glänzenden, transparenten Seil.
    Links an der Wand hing eine Tafel, auf der das Gewicht von Gehirn, Lunge, Herz, Leber, Niere und Milz jeder Leiche verzeichnet wurde. Alle Felder waren mit einem Strich markiert, nur das Gehirn war noch vorhanden und würde den Toten vermutlich ins Grab begleiten.
    Nadiuska de Sancha entfernte die Blase und legte sie auf das Metalltablett, das neben den Beinen der Leiche auf einem Hocker stand. Mit einem scharfen Schnitt öffnete sie das Organ, entnahm Proben der herausquellenden Flüssigkeit.
    »Was können Sie mir bis jetzt sagen?«, erkundigte sich Grace.
    »Nun ja, die Todesursache ist noch nicht endgültig festzustellen, Roy«, sagte sie mit ihrem wunderbaren Akzent. »Es gibt keine punktförmigen Blutungen, die auf Ersticken oder Ertrinken hinweisen. Da die Lunge fehlt, kann ich auch nicht sagen, ob er schon tot war, bevor er ins Wasser

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