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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Südlich des Schornsteins lag das alte, normale Leben, nördlich davon das neue, fremde und unbekannte.
    Auf der CD sang Justin Timberlake gerade What goes around comes around.
    »Hey, Mum«, sagte Caitlin plötzlich munterer. »Meinst du, es stimmt, was er da singt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, dass sich immer irgendwie ein Kreis schließt. Glaubst du das?«
    »Ob ich an Karma glaube?«
    Caitlin überlegte einen Moment. »Also, ich habe zum Beispiel einen Vorteil davon, dass jemand gestorben ist. Stimmt doch, oder?«
    Der Spender sei bei einem Motorradunfall gestorben, hatte man ihr gesagt, doch Lynn hatte Caitlin nichts Näheres erzählt und wollte sie auch nicht weiter beunruhigen. »Betrachte es mal aus einer anderen Perspektive. Vielleicht hat dieser Mensch Angehörige, die es tröstlich finden, dass aus ihrem Verlust etwas Gutes erwächst.«
    »Aber es ist doch irgendwie verrückt. Dass wir nicht wissen, wer es ist. Meinst du, ich könnte – irgendwann mal – die Familie kennenlernen?«
    »Möchtest du das denn?«
    Caitlin schwieg und sagte dann: »Kann schon sein. Ich weiß nicht.«
    Sie fuhren einige Minuten, ohne etwas zu sagen.
    »Weißt du, was Luke erzählt hat?«
    Lynn musste tief Luft holen, um sich zu beherrschen. Am liebsten hätte sie geantwortet: Nein, und ich möchte auch gar nicht wissen, was dieser Vollidiot gesagt hat. Zähneknirschend und mit geheucheltem Interesse erwiderte sie: »Lass hören.«
    »Na ja, manche Leute, die eine Transplantation hatten, übernehmen irgendwelchen Kram von den Spendern. Charaktereigenschaften zum Beispiel, oder ihr Geschmack verändert sich. Wenn mein Spender also ganz scharf auf Mars gewesen ist, könnte ich das sozusagen erben. Oder dass einem eine bestimmte Musik gefällt. Oder dass man toll Fußball spielt. Ist irgendwie genetisch bedingt.«
    »Woher hat Luke denn all diese Weisheiten?«
    »Aus dem Internet. Da gibt es jede Menge Seiten. Wir haben uns ein paar angesehen. Du kannst auch deren Abneigungen übernehmen!«
    »Tatsächlich?« Mit einem Schlag besserte sich Lynns Laune. Vielleicht stammte die Leber ja von jemandem, der etwas gegen Vollidioten mit blöder Frisur gehabt hatte.
    »Es gibt überprüfte Fallgeschichten«, sagte Caitlin und strahlte noch mehr. »Ganz ehrlich! Also, du weißt doch, dass ich Höhenangst habe.«
    »Mhm.«
    »Ich habe von einer Frau in Amerika gelesen, die das auch hatte, und dann bekam sie bei einer Transplantation die Lunge eines Bergsteigers. Jetzt ist sie selber ganz wild aufs Klettern!«
    »Das könnte aber vielleicht auch daran liegen, dass es ihr einfach bessergeht, weil sie jetzt eine funktionstüchtige Lunge hat.«
    »Nein.«
    »Es klingt jedenfalls erstaunlich«, sagte Lynn und versuchte, ihre Skepsis zu verbergen, damit ihre Tochter nicht die Begeisterung verlor.
    »Und dann war da noch eine Geschichte, Mum. In Los Angeles war ein Mann, der das Herz einer Frau bekommen hat, und vorher hatte er Einkaufen gehasst. Jetzt will er die ganze Zeit nur noch shoppen.«
    Lynn grinste. »Welche Eigenschaften möchtest du denn am liebsten erben?«
    »Nun, ich kann furchtbar schlecht zeichnen. Vielleicht bekomme ich ja die Leber eines brillanten Künstlers!«
    Lynn lachte. »Ja, das wäre schon mal ein großer Vorteil! Warte ab, es wird alles gut!«
    Caitlin nickte. »Ja, dann habe ich eine Leichenleber in mir. Wie fühlst du dich? Mir geht’s super, nur ein bisschen lebrig.«
    Lynn lachte wieder und freute sich, dass auch ihre Tochter lächelte. Sie drückte ihrer Tochter die Hand, und dann hörten sie auf die Musik und das Scheppern des Auspuffs.
    Doch Lynn spürte, wie sich ein eisiges, stählernes Band um ihre Brust legte. Man hatte sie über die Risiken der Operation aufgeklärt. Was alles schiefgehen konnte. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Caitlin auf dem Operationstisch starb.
    Ohne die Transplantation hätte sie jedoch nur noch wenige Monate zu leben.
    Lynn war nie eine große Kirchgängerin gewesen, hatte aber seit ihrer Kindheit jeden Abend gebetet. Vor fünf Jahren, in den ersten Wochen nach dem Tod ihrer Schwester, hatte sie damit aufgehört. Erst kürzlich, seit es Caitlin wirklich schlechtging, hatte sie wieder damit angefangen, wenn auch nur halbherzig. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte auf Gott vertrauen und ihm alle ihre Sorgen überlassen. Das würde vieles einfacher machen.
    Wieder drückte sie die Hand ihrer Tochter. Ihre lebende, wunderschöne Hand, die sie und Mal erschaffen

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