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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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hatten, vielleicht nach Gottes Ebenbild, vielleicht auch nicht. Gewiss aber nach ihrem eigenen Bild. Gott mochte die Zutaten geben, aber sie würde in den kommenden Stunden für Caitlin da sein, und wenn Gott den netten Onkel spielen wollte, würde sie ihn mit offenen Armen empfangen. Wollte er sich aber an ihrem Verstand und ihren Gefühlen und dem Leben ihrer Tochter zu schaffen machen, konnte er sich gefälligst verdrücken.
    Dennoch schloss sie an der nächsten roten Ampel flüchtig die Augen und sprach ein stilles Gebet.

46
    ROY GRACE WAR IN PANIK. Er rannte durchs Gras, rannte bis zum Rand der Klippe, die über dreihundert Meter steil abfiel. Ein heulender Wind blies ihm ins Gesicht und brachte ihn beinahe zum Stehen, so dass er praktisch auf der Stelle lief.
    Unterdessen rannte der Mann auf die Klippe zu, das Baby in den Armen. Sein Baby.
    Grace warf sich nach vorn, umfasste die Taille des Mannes wie beim Rugbyangriff und riss ihn zu Boden. Der Mann befreite sich und rollte entschlossen weiter, umfasste das Baby wie einen Ball, den er nicht loslassen wollte, rollte weiter und weiter auf den Klippenrand zu.
    Grace hielt ihn an den Knöcheln fest und riss ihn zu sich. Dann gab auf einmal die Erde unter ihm nach, ein Donnerhall ertönte, und ein riesiger Brocken brach von der Klippe ab wie ein trockenes Stück Kuchen. Er fiel und fiel, fiel zusammen mit dem Mann und seinem Kind, fiel hinunter auf die gezackten Felsen und ins brodelnde Meer.
    »Roy! Liebling! Roy! Liebling!«
    Cleo.
    Cleos Stimme.
    »Roy, alles ist gut, Liebling. Es ist gut!«
    Er öffnete die Augen. Im Zimmer brannte Licht. Sein Herz hämmerte. Er war in Schweiß gebadet, als läge er im Wasser.
    »Scheiße, tut mir leid«, flüsterte er.
    »Bist du wieder gefallen?«, fragte Cleo zärtlich und schaute ihn besorgt an.
    »Beachy Head.«
    Der Traum kehrte seit Wochen immer wieder. Aber es ging nicht nur um den Zwischenfall, den er dort erlebt hatte. Es ging auch um ein Ungeheuer in Menschengestalt, das er vor einigen Monaten im Sommer verhaftet hatte.
    Ein krankes Ungeheuer, das in der Stadt zwei Frauen ermordet und auch versucht hatte, Cleo zu töten. Der Mann saß hinter Gittern, die Kaution war verweigert worden, dennoch war Grace nervös.
    Der Radiowecker zeigte zehn Minuten nach drei.
    Im Haus rührte sich nichts. Es regnete.
    Nun, da sie sein Kind trug, erschien ihm Cleo verletzlicher denn je. Es war schon eine Weile her, seit er sich zuletzt nach dem Mann erkundigt hatte, obwohl er kürzlich Unterlagen für den Prozess vorbereitet hatte. Er würde am Montag im Gefängnis anrufen und sich vergewissern, dass er noch sicher hinter Gittern saß und nicht von irgendeinem verweichlichten Richter entlassen worden war, der die überfüllten Gefängnisse ein bisschen entlasten wollte.
    Cleo strich ihm über die Stirn. Er spürte ihren warmen Atem in seinem Gesicht. Sie roch süß, ein bisschen nach Minze, als hätte sie sich eben erst die Zähne geputzt.
    »Es tut mir leid«, sagte er noch einmal leise, als wollte er sie nicht belästigen.
    »Mein armer Schatz. Du hast oft Albträume, oder?«
    Er lag da, und das Laken unter ihm fühlte sich plötzlich kalt und feucht an. Sie hatte recht. So etwas träumte er mehrmals pro Woche.
    »Warum hast du mit der Therapie aufgehört?«, fragte sie und küsste ihn nacheinander auf beide Augen.
    »Weil …« Er zuckte die Achseln. »Es hat mir nicht dabei geholfen, mein Leben weiterzuführen.« Er setzte sich auf und schaute sich um.
    Er mochte das Zimmer, das Cleo vorwiegend in Weiß eingerichtet hatte. Auf den Eichendielen lag ein dicker weißer Teppich, an den Fenstern hingen weiße Leinenvorhänge, die Wände waren weiß gestrichen, und es gab als Kontrast einige elegante schwarze Möbelstücke, darunter auch die schwarzlackierte Frisierkommode, die noch von dem Angriff auf Cleo beschädigt war.
    »Nur du hast mir geholfen, mein Leben weiterzuführen. Wusstest du das?«
    Sie lächelte ihn an. »Die Zeit heilt am besten.«
    »Nein. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich je wieder einen Menschen so lieben könnte.«
    Sie schaute ihn lächelnd an und blinzelte.
    »Ich liebe dich auch. Noch mehr, als du mich liebst.«
    »Unmöglich!«
    Sie verzog das Gesicht. »Willst du mich etwa der Lüge bezichtigen?«
    Er küsste sie.

47
    GLENN BRANSON LAG hellwach im Gästezimmer von Roy Grace, dessen Haus sein zweites Heim oder, besser gesagt, sein neuer Hauptwohnsitz geworden

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