Und morgen in das kühle Grab
beschloss, zur Garage
zurückzukehren, aber davor musste er noch etwas suchen.
Die meisten Leute heben irgendwo Ersatzschlüssel fürs
Haus auf, dachte er.
Schließlich fand er sie, in einer der letzten Schubladen,
die er aufzog. Sie steckten in einem Briefumschlag. Er
hatte gewusst, dass sie irgendwo sein mussten.
Wahrscheinlich besaß bei dem Hausmeisterehepaar jeder
seine eigenen Schlüssel zum Haus. Es waren jeweils zwei
Schlüsselsätze in zwei verschiedenen Umschlägen
vorhanden. Auf dem einen Umschlag stand »Gästehaus«,
auf dem anderen »Badehaus«. Er legte die
Badehausschlüssel zurück und nahm nur einen Satz
Hausschlüssel an sich.
Er öffnete die Hintertür und vergewisserte sich, dass
einer der Schlüssel in das Schloss passte. Es gab nur noch
ein paar Dinge, die er mitnehmen wollte, bevor er zur
Garage zurückging. Im Kühlschrank standen sechs Dosen
Coca-Cola und Sprudel sowie sechs Flaschen Tafelwasser,
in Zweierreihen aufgestellt. Er hatte Lust, sich zu
bedienen, aber er wusste genau, dass die Spencer-Zicke
merken würde, wenn etwas fehlte. Aber in einem der
oberen Hängeschränke fand er Kräcker, Tüten mit Chips
und Brezeln und Nüsse in Dosen – wenn er davon was
mitnahm, würde das nicht auffallen.
Der Schrank mit den alkoholischen Getränken war
ebenfalls gut gefüllt. Es gab allein vier ungeöffnete
Flaschen Scotch. Ned holte eine der hinteren heraus. Man
konnte nicht einmal sehen, dass sie fehlte, außer wenn
man die Schublade ganz herauszog. Außerdem waren sie
alle von derselben Marke.
Mittlerweile hatte er das Gefühl, sich schon recht lange
im Haus aufgehalten zu haben, obwohl es in Wirklichkeit
nur ein paar Minuten gewesen waren. Er nahm sich noch
die Zeit, eine allerletzte Sache zu erledigen. Nur für den
Fall, dass jemand in der Küche wäre, wenn er
wiederkäme, wollte er in dem Zimmer mit dem Fernseher
eines der Seitenfenster entriegelt zurücklassen.
Während er durch den Flur hastete, ließ Ned seine
Augen über den Fußboden und die Treppe wandern, um
sicherzugehen, dass seine Schuhe nirgends Spuren
hinterlassen hatten. Wie Annie immer zu sagen pflegte:
»Wenn du willst, kannst du manchmal richtig ordentlich
sein, Ned.«
Als er das Fenster im Fernsehzimmer entriegelt hatte,
ging er mit langen Schritten in die Küche zurück und
öffnete, mit der Flasche Scotch und einer Schachtel
Kräcker unterm Arm, die Hintertür. Bevor er sie schloss,
blickte er noch einmal zurück. Das blinkende rote
Lämpchen des Anrufbeantworters stach ihm ins Auge.
»Wir sehen uns morgen, Carley«, sagte er ruhig.
47
DEN GANZEN VORMITTAG ÜBER ließ ich den
Fernseher mit geringer Lautstärke laufen und drehte nur
auf, wenn neue Meldungen über Ned Cooper oder seine
Opfer gebracht wurden. Es gab eine ergreifende
Geschichte über seine Frau Annie. Einige ihrer
ehemaligen Kolleginnen im Krankenhaus waren
interviewt worden. Alle betonten Annies Energie, ihre
große Freundlichkeit gegenüber den Patienten und ihre
Bereitschaft, Überstunden zu machen, wenn es nötig war.
Mit wachsendem Mitleid verfolgte ich, wie ihre
Lebensgeschichte vor den Zuschauern ausgebreitet wurde.
Sie hatte den ganzen Tag Tabletts getragen, fünf bis sechs
Tage in der Woche, und anschließend war sie in ihre
Mietwohnung in einer schäbigen Wohngegend
zurückgekehrt, wo sie mit ihrem psychisch gestörten
Mann lebte. Die einzige Freude in ihrem Leben schien ihr
Haus in Greenwood Lake gewesen zu sein. Eine der
Schwestern erzählte davon. »Im Frühling konnte Annie es
gar nicht erwarten, wieder in ihrem Garten zu arbeiten«,
sagte sie. »Sie hat immer Fotos davon mitgebracht, und
jedes Jahr war er wieder anders und wunderschön. Wir
haben sie immer damit aufgezogen, dass sie hier ihre Zeit
verschwenden würde, dass sie besser in einem
Gewächshaus arbeiten sollte.«
Sie hatte im Krankenhaus niemandem gesagt, dass Ned
das Haus verkauft hatte. Aber ein Nachbar, der ebenfalls
interviewt wurde, meinte, Ned habe überall herumerzählt,
dass er Gen-stone-Aktien besitze und dass er damit in der
Lage sein werde, für Annie ein Herrenhaus zu kaufen wie
dasjenige, dass der Gen-stone-Boss in Bedford besitze.
Diese Bemerkung veranlasste mich, zum Telefon zu
greifen und noch einmal Judy anzurufen, um sie zu bitten,
mir eine Kopie dieses Interviews zu schicken, zusammen
mit einer Kopie desjenigen, das ihr Sender mit mir geführt
hatte. Aus den Worten des Nachbarn ergab sich
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