Und morgen in das kühle Grab
gelegt, mir Kissen unter den
Rücken gestopft und sämtliche Artikel aus dem
mittlerweile prall gefüllten Ordner, den ich über Nick
angelegt hatte, auf dem Bett ausgebreitet. Ich bin ziemlich
gut im Schnelllesen, aber selbst nachdem ich einen
Großteil überflogen hatte, hatte ich nirgendwo auch nur
den kleinsten Hinweis darauf gefunden, dass er die
Aufzeichnungen über die frühen Experimente seines
Vaters bei Dr. Broderick in Caspien zurückgelassen hatte.
Logischerweise musste man davon ausgehen, dass davon
sowieso nur wenige Menschen wussten. Wenn man
Dr. Celtavini und Dr. Kendall Glauben schenkte, hatten
sie von der Existenz dieser Aufzeichnungen nicht die
geringste Ahnung gehabt, und der Mann mit den rötlich
braunen Haaren gehörte nicht zu den üblicherweise von
der Firma beauftragten Kurieren.
Aber wie konnte jemand außerhalb der Firma von
Dr. Spencers Aufzeichnungen wissen, und, noch
rätselhafter, aus welchem Grund sollte er hinter ihnen her
sein?
Ich rief bei drei Leuten an und hinterließ jeweils eine
Nachricht. Die einzige Person, die ich erreichen konnte,
war Reverend Howell, der presbyterianische Pfarrer, der
bei der Geldbeschaffungsaktion um Gottes Segen gebeten
hatte. Er war zuvorkommend, stellte jedoch klar, dass er
an dem bewussten Abend nicht viel mit Nick Spencer
gesprochen habe. »Natürlich habe ich ihm zu der
Auszeichnung gratuliert, Miss DeCarlo. Und dann war ich,
wie jeder andere auch, betrübt und entsetzt, als ich von
seinen angeblichen Missetaten erfahren habe und davon,
dass das Krankenhaus einen schweren finanziellen Verlust
erlitten hat, weil es so viel Geld aus seinem Etat in das
Unternehmen investierte.«
»Reverend, bei solchen festlichen Dinners stehen die
Gäste normalerweise zwischen den Gängen auf, gehen ein
bisschen herum und unterhalten sich«, sagte ich. »Ist
Ihnen zufällig aufgefallen, dass Nicholas Spencer mit
einem der Anwesenden länger gesprochen hat?«
»Nein, aber ich könnte mich mal umhören, wenn Sie
wollen.«
Ich war nicht besonders weit mit meinen Nachforschungen
gekommen. Ich rief im Krankenhaus an und erfuhr, dass
Lynn entlassen worden war.
Die Morgenzeitungen hatten gemeldet, dass Marty
Bikorsky wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher
Körperverletzung angeklagt und gegen Kaution auf freien
Fuß gesetzt worden war. Er stand im Telefonbuch von
White Plains. Ich wählte seine Nummer. Der
Anrufbeantworter schaltete sich ein, und ich hinterließ
eine Nachricht. »Mein Name ist Carley DeCarlo von der Wall Street Weekly. Ich habe Sie bei der
Aktionärsversammlung gesehen, und Sie sind mir absolut
nicht als ein Mensch erschienen, der aus Rache ein Haus
in Brand stecken würde. Bitte rufen Sie mich zurück.
Wenn ich kann, will ich Ihnen gerne helfen.«
Mein Telefon klingelte fast im selben Augenblick, in
dem ich auflegte. »Hier Marty Bikorsky.« Seine Stimme
klang müde und angespannt. »Ich glaube nicht, dass mir
irgendjemand helfen kann, aber Sie können es gerne
versuchen.«
Anderthalb Stunden später hielt ich vor seinem Haus,
einem gepflegten, älteren Splitlevel. Die amerikanische
Fahne flatterte an einem Mast auf dem Rasen. Das
Aprilwetter zeigte sich weiterhin von seiner launischen
Seite. Gestern lagen die Temperaturen bei über zwanzig
Grad. Heute waren sie auf vierzehn gefallen, und
außerdem war es windig. Unter meiner leichten
Frühlingsjacke hätte ich gut einen Pullover vertragen
können.
Bikorsky musste bereits auf mich gewartet haben, denn
die Haustür öffnete sich, bevor ich hätte klingeln können.
Dieser arme Kerl – das war der erste Gedanke, der mir in
den Sinn kam, als ich ihm ins Gesicht blickte. Er sah so
müde und niedergeschlagen aus, dass ich sofort Mitgefühl
mit ihm hatte. Er gab sich sichtlich einen Ruck, seine
herabhängenden Schultern zu straffen, und er schaffte es
sogar, mich schwach anzulächeln.
»Kommen Sie rein, Miss DeCarlo. Ich bin Marty
Bikorsky.« Automatisch hatte er die Hand ausgestreckt,
zog sie aber rasch wieder zurück. Sie war dick
eingebunden. Mir fiel ein, dass er ausgesagt hatte, sich am
Küchenherd verbrannt zu haben.
Der enge Hausflur führte nach hinten direkt zur Küche.
Das Wohnzimmer befand sich gleich rechts von der
Haustür. Er sagte: »Meine Frau hat frischen Kaffee
gekocht. Wenn Sie welchen möchten, dann könnten wir
uns an den Tisch setzen.«
»Sehr gerne.«
Ich folgte ihm zur Küche, wo seine Frau sich
Weitere Kostenlose Bücher