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Und morgen seid ihr tot

Und morgen seid ihr tot

Titel: Und morgen seid ihr tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Widmer; David Och
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Frühstücksbrot. Dann fangen wir an, unsere Runden zu laufen, ein Slalomparcours zwischen Pferd, Schafstall und Heuhaufen.
    Schließlich taucht Locke auf und sagt, er solle David zu dem deutschen Taliban bringen. Warum nur David? Wenn David sich von mir entfernt, befällt mich Panik. Schmatulla, der deutsche Taliban, ist uns suspekt. Ein bigotter Fanatiker, der verlangt, ich müsste aus seinem Blickfeld verschwinden, ehe er den Innenhof durchquert, um auf die Toilette zu gehen. Locke führt David eine Außentreppe hoch, und sie verschwinden in einem Teil des Hauses, den ich nicht kenne. Je länger ich alleine dasitze, desto grausamer werden die Bilder, die vor meinem inneren Auge auftauchen. Ich starre auf die Wolken, suche mit dem Blick nach etwas Positivem, nach einer Schäfchenwolke oder einem Vogel, und denke doch nur an David, der irgendwo von bewaffneten Männern umringt ist. Wenn unsere Bewacher uns einschüchtern wollen, drohen sie damit, uns an Al-Qaida-Kämpfer zu übergeben. Die seien weniger zimperlich. Mir fällt wieder das Ehepaar in Kenia ein. Die Frau ist nun allein in der Gewalt der Islamisten. Sie weiß nichts von mir, aber ich fühle mich ihr ganz nah. Hätte David sich in jenem Sekundenbruchteil in Loralai nicht beherrscht, wäre ich jetzt ebenfalls allein hier.
    Nach zwanzig Minuten kommt David endlich zurück und sagt, wir müssten zwei Videos in Schweizerdeutsch drehen. Das eine für die Schweizer Regierung, in dem wir Lösegeld fordern und sagen, dass wir Angst vor Erschießung hätten, falls das Geld nicht bereitgestellt werde. Eine genaue Summe nennen wir nicht, da die Bewacher zwar von 3,5   Millionen geredet, sich aber nicht wirklich haben einigen können. Das zweite sei für die pakistanische Regierung und die Schweizer Botschaft in Islamabad, ein Aufruf, dass die pakistanische Regierung mit den Taliban in Kontakt treten und die geforderten Gefangenen befreien solle. David wird an Händen und Füßen gefesselt, ich hülle meine Haare in ein großes Tuch. Hinter uns postieren sich vier vermummte Taliban und richten ihre Gewehrläufe auf unsere Rücken. Schmatulla sagt, die Schweiz habe bereits ein sehr gutes Angebot gemacht, aber mit diesem neuen Video wollten sie noch ein wenig mehr herauskitzeln. »Lass die Ketten rasseln, es soll ein dramatisches Video sein!«, sagt der Deutsche. Wir sind empört, angeekelt, resigniert. Man hat ihnen schon ein Vermögen geboten, und sie sind noch nicht zufrieden? Welchen Lohn erwarten sie für ihr Verbrechen? Die pakistanische Regierung müsse endlich mit ihren Spielchen aufhören. Sie mache immer wieder Angebote, die sie kurz darauf zurückziehe, sagt der deutsche Taliban. Er werde das Video noch schneiden und am nächsten Tag per Mail verschicken. Wenn die Regierung sehe, dass unsere Todesangst echt sei, könne alles sehr schnell vorbei sein. In zwei bis vier Wochen.
    Wir denken nicht darüber nach, wie »schnell« und »vier Wochen« zusammenpassen. Wir versuchen nur zu funktionieren.
    David lernt die Rede auswendig, die Jungs vermummen sich, dann werden wir über die Treppe nach oben gerufen. Wir sind auf einer Art Dachterrasse, in grellem Sonnenlicht. David setzt sich auf den sandigen Boden, ihm werden Hände und Füße in Ketten gelegt. Ich setze mich neben ihn, in mein Tuch gehüllt. Hinter uns stellen sich die vier vermummten Taliban auf, richten die Gewehrläufe auf unseren Nacken. Es sind Locke, Guildo Horn, Assistent Nilpe und Dumbo, der ungemein stolz ist, mit auf das Video zu kommen. Vorher habe ich gefragt, ob sie nicht die Munition aus den Waffen nehmen könnten, aber Locke hat mir nur die Hand gereicht und versprochen, er werde nicht schießen. Mein Herz fängt trotzdem zu rasen an. Erneut habe ich die Mündungen im Rücken, wie bei der Verschiebung, als wir im Dunkeln vor den Entführern herlaufen mussten und Angst hatten, es könnte sich ein Schuss lösen, versehentlich oder auch nicht. Die Kamera wird angestellt, Schmatulla scheint darin Routine zu haben. Wir sind in einem emotionalen Chaos, sagen uns vor, dass dies eine Inszenierung ist. Die Ketten sind anderthalb Meter lang, damit man sie auf keinen Fall übersieht, die Finger am Abzug der Waffen werden stillhalten, sagen sie, wir sollen unsere Angst nur spielen, aber sie ist nicht gespielt. Auch die Verzweiflung nicht.
    In der Heimat wird man uns vorwerfen, dass wir gefleht hätten, uns »endlich« nach Hause zu holen. Was wir uns einbildeten? Was wir für einen Begriff hätten

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