Und morgen seid ihr tot
auf, und er verbessert sich: »Oh, sorry, no, no, no kill, inschallah, no mujahedeen, no Rupees, release, inschallah.«
Wieder wird über Belangloses geplaudert. Sie wollen wissen, wie viel Alkohol wir trinken und was genau Käse ist. Ich bespreche mich zwischendurch mit David, und am Ende des Mahles sagen wir zu Wali: »Bevor ihr uns umbringt, lasst uns lieber hier mit euch leben. David kann Mudschahedin werden, und ich bleibe ebenfalls, aber eine Burka will ich nicht tragen.«
Wali nickt. Nase ist begeistert.
Es wird noch ein wenig herumgealbert, besonders die Zeitungsmeldungen von meiner Schwangerschaft und der Geburt eines Sohnes amüsieren Wali. »Wie wollt ihr euren Sohn denn nennen?«, fragt er.
»Nase«, sagen wir, und alle jubeln, vor allem Nase selbst. Dumbo kommt und bietet noch einen Tee an. Ich denke nur, bitte geh, die Drohnen fliegen heute so tief. Nase nickt, und dann beginnt die Teezeremonie. Wali trinkt zwei Tassen, dann funkt Hamza seine Leibwächter an. Als Guildo Horn, der am Tor Wache schiebt, das Okay gibt, bricht Wali auf. Er tauscht das Tuch mit Pumba und sagt, er müsse die Drohnenspione verwirren.
Am nächsten Morgen fordert Nase David auf mitzukommen. David wird instruiert, er sei ein türkischer Kämpfer und heiße Ikram. Das Tor öffnet sich, und die beiden verschwinden. Ich bin panisch, lausche wieder auf die Drohnen und versuche, ihre Flugbahnen zu analysieren. Verfolgen sie Nase und David? Bei jedem Knall schrecke ich hoch und kann kaum noch atmen.
Dann werde ich ebenfalls weggebracht. Man setzt mich in ein Auto, wir fahren los, und ich suche die Gassen nach David ab. Er steht in einer Gruppe bewaffneter Männer. Sie reichen ihm die Hand, er lächelt. Für einen Moment denke ich, er sei nicht mehr in meiner Welt. Mit seinem Bart und den langen Haaren sieht er aus wie die Taliban. Und er wird mir später erzählen, es sei ein unvergessliches Gefühl gewesen, durch die zerbombten Gassen dieser Talibanhochburg zu gehen, neben Nazarjan, der von allen respektvoll begrüßt wird, ebenso begrüßt zu werden von Menschen, die nicht ahnen, dass er eine Geisel ist, sondern ihn für einen der ihren halten.
Endlich steigen sie in den Wagen; wenn eine Drohne uns trifft, dann sterben wir wenigstens gemeinsam. Wir fahren zum üblichen Hügel, das Prozedere mit Telefon und SIM -Karte beginnt, aber es gibt kaum Empfang.
Nach einer halben Stunde können wir Martin das Codewort » HOPAHOPA « (das die Taliban falsch notiert haben, eigentlich wäre es: »hope, hope« gewesen) durchgeben, trotz der gestörten Verbindung. Aber als wir zurück zu Dumbos Familie gebracht werden, sind wir sicher, der Kontakt steht.
David bekommt plötzlich wieder Schüttelfrost und so hohes Fieber, dass er sich kaum erheben kann. Dumbo hält uns auf dem Laufenden. Am 20. Februar soll das Treffen stattfinden, am 23. das Geld übergeben werden. Doch auch diese Termine verstreichen, ohne dass Nase uns aufsucht.
Als er dann doch erscheint, ist auch der Februar fast vorüber. Er spricht wirres Zeug, aus dem wir nach und nach herausdestillieren, dass noch immer keine Geldübergabe stattgefunden hat. Wenn es mit den fünfzig Millionen nicht klappen sollte, dann würden sie auch fünf nehmen von unseren Familien, oder drei oder vier.
Am 1. März strapaziert Dumbo meine Nerven, indem er einen Sprengstoffgurt in Tarnfarben aus einem der Säcke in unserem Zimmer holt, an dem Kabel zieht und »Bumm!« ruft. Ich halte seine Nähe nicht mehr aus. Als wir später Runden laufen, fängt er an, mit einem Stein das Schloss der Truhe zu malträtieren, die er sich mit seiner Frau teilt. Er steigert sich in einen Tobsuchtsanfall, schlägt das Schloss ab und wirft die Truhe um. Jeden, der ihn beruhigen will, jagt er aus dem Zimmer. Als seine Frau kommt, schlägt er sie. Zuerst mit der bloßen Hand, dann sucht er sich einen Backstein, er zückt eine Pistole und zielt auf Chobana. David geht dazwischen, während ich mich zu der Frau auf den Boden kauere, die weint und zittert. Den ganzen Abend schlägt Dumbo immer wieder auf Chobana ein, jedes Mal gehen wir dazwischen. Die Frau blutet und kann kaum mehr gehen, ich nehme sie in den Arm und versuche sie zu trösten. Zwar entwaffnet Ade ihren Sohn später, aber alle Frauen und Kinder wenden sich ab und sagen, Dumbo hätte recht gehabt, wenn er seine Frau erschossen hätte. Als wir versuchen, vernünftig mit ihm zu reden, stellt er sich stur. Eine Frau koste 900 Dollar, wenn sie
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