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Und morgen seid ihr tot

Und morgen seid ihr tot

Titel: Und morgen seid ihr tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Widmer; David Och
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Peters Frau, schluchzt in den Hörer, und ich verstehe nicht, was sie sagt. Ich selbst bringe keinen verständlichen Laut mehr über die Lippen. Dann sammle ich mich noch einmal und schließe: »Ich gebe dir den David. Bitte gebt uns nicht auf.«
    »Muriel, wir lieben euch so sehr! Wir müssen auflegen!« 7’40 min.
    Niemand kommentiert das Telefonat. Wir weinen beide, auch der Assistent und Pumba wischen sich die Augen trocken. David fängt sich nicht wieder, Nase nimmt ihn in die Arme und streichelt ihm über den Kopf: »Ist ja gut, es ist gut, bitte hör jetzt auf zu weinen«, sagt er.
    Peter und Muriel sind unsere besten Freunde. Sie sind Vertrauenspersonen, Anlaufstation, Ratgeber, auch Vorbilder, obwohl oder vielleicht weil sie oft anders denken als wir, besonders Peter, ein sehr methodischer, rationaler Mensch. Ihn hat David in der Armee kennengelernt, wo Peter anfangs sein Vorgesetzter und eine Art Mentor war. Wir wissen nicht, wie es sich anfühlt, eigene Kinder zu haben, wie sehr man diese zerbrechlichen Wesen liebt, wie man sich nach ihnen verzehrt und wie man mitleidet, wenn ihnen selbst ein kleines Unglück widerfährt, wenn sie sich in Fieberträumen oder mit Zahnweh quälen, sie untröstlich sind über den Streit mit einer Freundin oder ein defektes Spielzeug. Aber dank Peters und Muriels Kindern Liv und Fynn können wir es uns ein wenig vorstellen.
    Nach dem Telefonat kehren wir nicht in Dumbos Haus zurück. Mitten auf dem Basar von Miranshah werden wir an den Rand einer großen Sandfläche geführt, wo eine Gruppe Männer steht. Ich steige aus dem Wagen, kann in meiner Burka aber kaum etwas sehen, nur den Müll, auf dem ich plötzlich stehe. Die Stimmen unserer Familie, die unserer Freunde hallen noch in meinen Ohren, als ein Tuch zur Seite geschoben wird und eine große blaue Stahltür zum Vorschein kommt. Es wird geklopft, die Tür geht auf, und Guildo Horn steht vor uns, reicht uns die Hand. Auch Dumbo ist da und strahlt, offensichtlich erleichtert, dass er uns, das »Gefahrgut«, für eine Weile aus seinem Haus hat. Wir werden in einen Innenhof gebracht, der noch enger ist als der der ehemaligen Bäckerei.
    Von diesem Hof gehen mehrere frisch renovierte Schlafräume mit Dusche und WC ab. Es gibt keine Betten, aber Rollkissen und schwere Decken. Wir sind desorientiert, haben keine Kleider zum Wechseln, keine Zahnbürsten dabei, nichts, werden aber zuvorkommend behandelt, es gibt Huhn, Fisch, Kartoffeln, Obst und Tee. Unsere Bewacher sind ebenso zuversichtlich wie wir.
    Nases Assistent Hamza, ein kluger Mann mit kurzem Bart, kurzem Haar und Mandelaugen, hat ein ähnlich feines Gespür für unsere Bedürfnisse wie einst Locke und versucht, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Doch dann verschwindet Nase plötzlich, und wir sitzen tagelang im Ungewissen fest. Der Hof ist so eng, dass wir kaum laufen können, eine Runde dauert in Schritttempo sieben Sekunden, Guildo Horn, der Chef in diesem VIP -Haus, wie sie es nennen, behandelt uns herablassend, es gibt weder Lektüre noch einen DVD -Player oder Radio. Nach den aufwühlenden Ereignissen und den Autofahrten durch die weite Landschaft sind der totale Stillstand und die Beengtheit noch schwerer zu ertragen. Niemand weiß, wo Nase steckt, über Funk ist er nicht mehr zu erreichen. Morgen wird die Straße gesperrt sein, das heißt wir sitzen fest. Aber ich habe seit einer Woche die Kleider nicht gewechselt und stinke, mein Tagebuch ist bei Dumbo geblieben, ich kann nicht einmal schreiben. Was passiert, wenn das Ultimatum von drei Tagen abläuft? Werden wir gleich hier in diesem Hof eliminiert?
    Als Nase zurückkommt, ist er übernächtigt und nervös. Wir erfahren, dass er zwei Nächte lang Hakimullah Mesud, den Chef der TTP Pakistan, begleiten musste. Er habe es deswegen auch nicht geschafft, mit dem Unterhändler in Islamabad zu telefonieren. Wir sind fassungslos. Die drei Tage, die alles entscheiden sollten? Und dann war nicht einmal für ein Telefonat Zeit?
    Am Abend kommt Dumbo mit einer Menge praller Tüten an. Er hat drei Hähnchen gekauft, außerdem Lassi, Milch, Obst und Gemüse. Wir würden am Abend zu acht essen. Angesichts der aufwendigen Vorbereitungen vermuten wir: Neben Nase könnte auch noch Wali-ur Rehman zu uns stoßen. Dann säßen zwei der wichtigsten Abschussziele mit uns auf dem Teppich. Andererseits hieße das auch, dass etwas Einschneidendes passieren könnte. Und für unsere Erschießung würden sich nicht die

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