Und Nachts die Angst
Minuten tippen und scrollen ist sie sicher, dass diese Suche bereits durchgeführt worden ist. Dennoch hat sie nie einen Bericht gesehen. Sie beschließt, sich weitere zehn Minuten zu erlauben; schließlich stapelt sich auf ihrem Schreibtisch nicht nur ihre eigene Arbeit, sondern auch die ihrer abwesenden Teamkollegen. Verdammte Budgetkürzungen.
Vierzig Minuten später sitzt sie immer noch dort.
Vor ihren Augen verschwimmen die Buchstaben. Sie scheint wieder in einer Sackgasse gelandet zu sein, noch dazu eine Spur, die schon andere verfolgt haben, und sie stöhnt verärgert auf. Schließlich schickt sie ein paar Seiten an den Drucker. Sie rollt die Schultern, um ihre verkrampften Muskeln zu lockern, und denkt mit Grauen daran, dass sie den unfertigen Bericht von gestern Nachmittag noch schreiben muss. Steif erhebt sie sich, holt die Ausdrucke, nimmt sich einen gelben Leuchtmarker und breitet die Seiten auf dem Tisch aus.
Im Stehen überfliegt sie die Seiten auf der Suche – wonach eigentlich? Die Stiftspitze schwebt wie eine Möwe über einem Meer aus Daten.
Nichts, nichts, noch mehr nichts … und dann etwas.
Sie zieht die Brauen zusammen und sieht genauer hin. Der Filzstift sinkt auf die Seite. Wieder. Drei Mal.
Plötzlich wird ihr warm, und sie zieht die Jacke aus und setzt sich wieder an den Computer, um eine neue Suche zu starten.
Nichts.
Sie versucht es von einer anderen Seite, und was sie findet, verblüfft sie. Sie grenzt den Fokus ein, geht ein paar Schritte zurück, fängt neu an und erstarrt, als sie sieht, was auf dem Bildschirm erscheint.
Ist das schon untersucht und als irrelevant verworfen worden, oder hat man das übersehen?
Kim Benioff starrt auf die Ergebnisse, und eine Gänsehaut breitet sich auf ihrem Körper aus.
Unterdessen sitzt der Experte für elektronische Überwachung, der sich insgeheim Duke nennt, in seinem Kontrollraum und verfolgt jede Eingabe, die sie macht.
55. Kapitel
D er Schwachsinn der ganzen Angelegenheit macht Duke rasend. Nach so viel Sorgfalt und Planung seinerseits ruinieren diese neugierige Schlampe und der Vollidiot Orr-ca alles. Und am schlimmsten ist, dass er sich selbst eingeredet hatte, diese Gefahrenstelle längst umschifft zu haben.
Nachdem Vanderholts Erschießung so gut über die Bühne ging, war er davon ausgegangen, er sei in Sicherheit. Aber dann gestern Abend der panische Anruf von J. J. Orr.
Duke hatte den Anruf mit eisiger Stimme angenommen. »Ich habe dir doch verboten anzurufen. Wenn ich mit dir reden will, dann bin ich es, der sich meldet.«
»Aber das ist ein Notfall«, wimmerte Orr. »Hier war gerade jemand und hat rumgeschnüffelt.«
»Wer?«
»So’n Mädchen mit komischem Haar.«
»Im Jeep?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Was hat sie gemacht?«
»Sie ist vors Haus gefahren und hat einfach dagesessen und geguckt.«
»Und was hat sie gesehen?«
»Nichts, keine Sorge.«
»Ist sie ums Haus gegangen?«
»Nein. Sie hat nur geglotzt. Vom Jeep aus. Aber keine Angst, ich hab sie vertrieben.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich hab sie vertrieben.«
» Wie hast du sie vertrieben?«
»Na ja, jetzt werd nicht sauer, aber …«
»Nicht mit einer Waffe!«
»Na ja, ähm, ich …«
»Du Vollidiot!«
»Ja, ich weiß, aber …«
»Was für eine Waffe?«
Ein Seufzen. »Nur ein kleines Gewehr. Zweiundzwanziger.«
»Das war saudumm, Orr-ca.«
»Ja, weiß ich. Tut mir leid, okay?«
Unverzeihlich.
Ein weniger kontrollierter Mensch hätte vielleicht seine Faust gegen die Wand gerammt, aber Duke hat seinen Zorn unterdrückt. Nun gilt es, die Situation zu bewerten und entsprechend zu handeln.
Er hat Jahre gebraucht, um seine Projekte zu planen, umzusetzen und zu perfektionieren: Die Aufseher aussuchen und ausbilden, die Mädchen auswählen und beobachten, die eleganten Fallen erdenken, mit denen er seine Beute fängt – soll das nun alles zusammenbrechen?
Er ist so vorsichtig gewesen. Er hat aus der Ferne die richtigen Daten in die Computer auf der Arbeit eingegeben, was natürlich reibungslos verlaufen ist, und all seine Spuren verwischt. Aber er hat nicht damit gerechnet, dass Kim-Bo so hartnäckig sein würde. Oder so einfallsreich.
Er blickt auf die Uhr und unterdrückt die Lust auf Nikotin. Mit einem Gefühl der Dringlichkeit greift er auf die Geräte zu, die ihm die wertvollsten Informationen verschaffen, und beginnt eine Reihe von Aufgaben durchzuführen, die er nacheinander abhakt. Außerdem sieht er sich die Chronik von Edgy
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